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Von Schwarz- und Graufahrern

15.04.13 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Um das klarzustellen: Schwarzfahrer sind Kriminelle. Es handelt sich um den Straftatbestand der Leistungserschleichung. Auch wenn es als Kavaliersdelikt wahrgenommen wird, aber Schwarzfahren ist kein opferloses Verbrechen, sondern ein Betrug an der Gemeinschaft der zahlenden Kunden. Gerade durch dreiste Dauer-Schwarzfahrer, die genau wissen, dass sie nur gelegentlich erwischt werden und die 40 Euro dann bar bezahlen um nicht aufgeschrieben zu werden, geht dem System viel Geld verloren. Doch man sollte tiefer hineingucken und sich mit der Frage befassen, wie denn der Alltag in den öffentlichen Verkehrsmitteln ist. Man braucht Einblicke die man hat, wenn man regelmäßig mit Bus und Bahn fährt, damit man nicht wie ein Blinder von der Farbe spricht. Wer Dienstwagen und Fahrer hat, hat keinen Bezug zu den Lebensrealitäten.

Ein Beispiel sei an dieser Stelle genannt: Wenn man von Soest nach Witten fährt, dann muss man mit der Eurobahn losfahren und in Dortmund umsteigen. An den Eurobahn-Triebzügen prangen groß sichtbare Aufkleber: „Erst einsteigen, dann bezahlen.“ Der Vertrieb findet an Automaten im Zug statt, was ja angesichts der oft fragwürdigen hygienischen Zustände an den Stationen durchaus in Ordnung ist. Wenn man dann aber auf dem Rückweg von Witten nach Soest in den Zug einsteigt, in der Hoffnung in den Fahrzeugen von DB Regio ebenfalls Automaten zu finden, ist man bereits Schwarzfahrer. Das ist nur ein kleiner Teil der zersplitterten Tariflandschaft und der für Laien so hoch erscheinenden Zugangshürden.

Das hat auch mit dem schlechten Modal Split zu tun, über den die ÖV-Lobby so gerne schweigt. Die Tatsache, dass bereits der Erwerb eines Fahrscheins ein mittleres Abenteuer werden kann ist eine der Ursachen dafür, dass Bus und Bahn im Wettbewerb der Verkehrsträger nicht bestehen können. Von defekten Automaten, verklebten Münzschlitzen oder verweigerter Scheinannahme ganz zu schweigen. Vor ein paar Jahren verlor die Düsseldorfer Rheinbahn einen Prozess gegen einen Fahrgast, der mit einem Fünf-Euro-Schein bezahlen wollte. Das ging nicht, denn die Automaten nehmen nur Hartgeld. Man wollte das Erhöhte Beförderungsentgelt trotzdem einklagen und wurde vom Richter sowohl in der ersten wie auch in der zweiten Instanz laut ausgelacht. Der Pressesprecher sagte unmittelbar nach der Urteilsverkündigung der Rheinischen Post, dass man sich auch in Zukunft „nicht veräppeln lassen“ werde, mit anderen Worten, es wird weiterhin aussichtslose Prozesse auf Kosten des Steuerzahlers geben. Gegen den betroffenen Fahrgast aber wahrscheinlich nicht, den haben Bus und Bahn zum letzten Mal gesehen.

Vor solchen Hintergründen muss man sich die Frage stellen, ob das mit dem Kampf gegen die Schwarzfahrer überhaupt ernst gemeint ist. Solange die Verkehrsunternehmen nicht in der Lage sind, intuitiv bedienbare und funktionsfähige Automaten aufzustellen, solange Fahrscheine an Tankstellen und Lottobuden verkauft werden von Personal, das vom Tuten und Blasen keine Ahnung hat, solange wird es Grenzfälle und Graufahrer geben. Es sei denn, man ist Autofahrer.

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