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Bundesrechnungshof sieht schwere Eisenbahnkrise

23.03.23 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die schwere Eisenbahnkrise in Deutschland wurde auch durch den Bundesrechnungshof in einem aktuellen Gutachten bestätigt. Demnach wird die DB AG als Sanierungsfall bezeichnet, deren Nettoverschuldung in den letzten Jahren massiv gestiegen ist. Darüber hinaus prägt ein nach wie vor diversifiziertes Geschäftsbild den Konzern ebenso wie verspätete oder ausgefallene Züge. Im SPFV ist die Ausfall- und Verspätungsquote auf ein Rekordhoch gestiegen, im Regionalverkehr brechen DB Regio Marktanteile und Gewinnmargen weg, während DB Cargo auf der Schiene tief in den roten Zahlen steckt.

Gleichzeitig hat die DB AG nach wie vor keinen Käufer für den 2010 für drei Milliarden Euro übernommenen Arriva-Konzern gefunden und auch die globalen Logistiktätigkeiten binden Management-Kapazitäten. Dem Bund wirft der Bundesrechnungshof auch weiterhin Desinteresse an seinem Konzern vor und gerade keine politische Steuerung der deutschen Staatseisenbahn.

Eine Kritik, der man sich auch beim Wettbewerberverband Mofair anschließt. Verbandspräsident Tobias Heinemann: „Die beißende Kritik des Rechnungshofes zeigt, dass es zwar gründlich, aber auch endlich zügig und vor allem transparent vorangehen muss auf dem Weg zu einer gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft. Frisches Geld für die Infrastruktur ist dringend nötig. Es muss über ein Fondsmodell anstelle der heutigen Wirtschaft mit 189 Töpfen ausgereicht werden. Damit einhergehen muss aber eine vollständige finanzielle Entflechtung der Infrastrukturgesellschaft vom Rest des Konzerns. Im Spannungsfeld zwischen Gemeinwohlorientierung der Infrastruktur und Beibehaltung des integrierten DB-Konzerns darf die Qualität nicht wieder unter die Räder geraten.“

Die Hauptforderungen der Bundescontroller sind 2023 die gleichen wie 2019, und zwar nicht weil in den vergangenen vier Jahren eisenbahnpolitisch nichts geschehen wäre, sondern weil die Politik, vor allem das Verkehrsministerium, den Kern der Probleme konsequent ignoriert hat: Der Bund hat es in vier Jahren nicht geschafft, den grundgesetzlichen Gewährleistungsauftrag für die Schieneninfrastruktur der Eisenbahnen des Bundes (Art. 87e Abs. 4) konkretisieren.

Zu sehr hat sich der Bund darauf verlassen, dass der DB-Konzern es schon machen werde. Aber ein pressewirksames Einbestellen des DB-Vorstands durch Ex-Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) half nicht. Die von der seit Ende 2021 amtierenden Ampelkoalition gelobte Besserung ist indes noch immer nicht greifbar: Das Zielbild für die im Koalitionsvertrag vorgesehene gemeinwohlorientierte Infrastrukturgesellschaft („InfraGO“) sollte im Dezember 2022 vorliegen, steht aber weiter aus.

Ebenso wenig hat der Bund eine Eigentümerstrategie erarbeitet, anhand derer das größte bundeseigene Unternehmen am Bundesinteresse (und nicht am Konzerninteresse!) ausgerichtet werden könnte. Die Rechnungsprüfer erkennen, dass das Eisenbahnsystem nicht gleichbedeutend mit der DB AG ist. Aber ohne die DB-Infrastruktur, die neunzig Prozent des Gleisnetzes in Deutschland darstellt, können auch die Wettbewerber der DB-Transporttöchter keine tadellose Leistung abliefern.

Der Rechnungshof regt an, über die Festlegung des Koalitionsvertrags hinauszugehen, indem sich der Bund künftig allein auf die Infrastruktur konzentrieren und die Transportgesellschaften veräußern solle. Für ihn stellt die Integration des Konzerns in seiner heutigen Form einen „Wettbewerbs-Schutzschirm“, für die DB-Transporttöchter dar, vor allem DB Fernverkehr.

Auch der Verband Netzwerk Europäischer Eisenbahnen (NEE) schließt sich der Kritik an. Verbandsgeschäftsführer Peter Westenberger: „Am Vorabend der angekündigten Gründung einer gemeinwohlorientierten Schieneninfrastrukturgesellschaft weist der Bundesrechnungshof völlig zu Recht darauf hin, dass die Regierung noch immer keine Eigentümerstrategie hat. Nirgendwo ist nachlesbar was der Bund von seinem Unternehmen erwartet. Das im Blindflug immer steiler gen Boden segelnde DB-Flugzeug sollte kontrolliert gelandet und in Schuss gebracht werden.“

Westenberger: „Zu Recht fragt der Bundesrechnungshof weiterhin, warum sich die Regierung via DB als Verkehrsunternehmerin in lebendigen Märkten engagiert, wo sie mit den Aufgaben der Schieneninfrastruktur, der Entwicklung eines fairen Eisenbahnmarktes und hoheitlichen Kontrollaufgaben schon alle Hände voll zu tun hat. Der Bericht muss vor allem im Parlament als Weckruf begriffen werden.“

Siehe auch: Dem Bundesrechnungshof zuhören

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