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Dem Bundesrechnungshof zuhören

23.03.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Ich empfehle jedem, wirklich jedem, sich einmal zwei, drei oder vier Stunden seiner Zeit zu nehmen das 33seitige Gutachten des Bundesrechnungshofes durchzulesen. Es enthält definitiv Sprengstoff und es rechnet ab mit der seit Jahrzehnten gescheiterten Eisenbahnpolitik. Wir sind inzwischen wieder an einem Standpunkt angelangt, an dem die alte Bonner Republik mit ihrer Bundesbahn auch mal war: Niemand weiß, wohin dieser riesige Moloch fahren soll, er steht kurz vor der Überschuldung, die Zinslast drückt die finanzielle Beweglichkeit und wir haben einen Staat im Staate, dessen Eigenleben auch durch das Desinteresse der verantwortlichen Verkehrspolitik auf Bundesebene zu erklären ist.

Zur Erinnerung: Die alte Bundesbahn und die DDR-Reichsbahn hatten Ende 1993 einen Schuldenstand von rund 66 Milliarden D-Mark. Die Nettofinanzschulden der heutigen DB AG liegen bei knapp dreißig Milliarden Euro – also nicht mehr weit davon weg. Pro Tag, so hat der Bundesrechnungshof ermittelt, steigt die Nettoverschuldung um rund fünf Millionen Euro und wenn man bedenkt, dass die Zinsen in der Eurozone zuletzt wieder gestiegen sind, kann derzeit niemand ernsthaft vorhersagen, was allein diese Zinslast mit dem Konzern in den kommenden Jahren machen wird.

Derzeit läuft noch eine Anschaffungsrunde für neue ICE-Triebzüge und auch die Investitionen in die Infrastruktur sind relativ hoch, z.T. auch mit Eigenanteilen der DB AG – wenn auch nur in symbolischer Höhe. Ich bin mir aber sicher, dass im Bahntower bereits an einer Kampagne gearbeitet wird, die in wenigen Jahren losgeht: Eine neuerliche Entschuldung der DB AG zulasten des Bundeseisenbahnvermögens. Dann werden in auflagenstarken Printmedien Artikel platziert, in denen irgendwelche Professoren und andere Experten sagen, warum das der Königsweg wäre, plötzlich finden sich Hinterbänkler aus dem Bundestag, die genau solche Forderungen stellen und schon läuft die Debatte wieder im Sinne des Konzerns.

Tatsächlich aber sollte man auf das hören, was der Bundesrechnungshof sagt: Wir brauchen keine gemeinnützunge Infrastruktur-Gesellschaft unter dem Dach des Konzerns oder ähnliches, sondern der Bund sollte das Netz zur Verfügung stellen und auch den SPFV organisieren: Mit dem Bundesunternehmen DB Fernverkehr oder über einen Aufgabenträger. Es ist nicht Sache des Staates, Güter zu speditieren, auch nicht auf der Schiene. Im Regionalverkehr gibt es einen breiten Strauß an Betreibern und in zahlreichen Bundesländern hat man Akteure im Landeseigentum; zuletzt hat man in Baden-Württemberg die SWEG erheblich gestärkt.

Die Politik muss den Mut haben, die Eisenbahnreform in ihrem inneren Sinne fortzuschreiben, sie darf sich nicht von Lobbyisten des Konzerns bequatschen lassen, sondern muss dafür sorgen, dass die Eisenbahn gestärkt wird, auch wenn es den schönen integrierten Konzern kostet. Eisenbahnpolitik ist nicht die Unternehmenspolitik der DB AG und hier muss jetzt die Chance genutzt werden, einen harten Schnitt zu machen. Auch wenn einige dann schreien.

Siehe auch: Bundesrechnungshof sieht schwere Eisenbahnkrise
Foto: Didgeman

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