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Impossibilium nulla est obligatio

02.11.21 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Impossibilium nulla est obligatio: So lautet der lateinische Rechtsgrundsatz, der sich mit „Nichts ist Pflicht bei Unmöglichkeit“ in die deutsche Sprache übersetzen lässt und auf den DB Netz sich immer wieder beruft: Die vier Hauptfeinde der Eisenbahn (Frühling, Sommer, Herbst und Winter) sind nunmal ein Problem und wir können nichts machen. Zurecht sagt die Bundesnetzagentur irgendwann: So nicht, wenn Ihr nicht in der Lage seid, Eure Infrastruktur so zu bewirtschaften, dass sie nutzbar ist, dann müsst Ihr halt die Kapazitäten ausweiten.

Jede Kommune schafft es, im Winter die Straßen nutzbar zu machen und das kann man dem Bundesunternehmen DB Netz auch zumuten. Wenn jetzt, über zwölf Jahre nach dem Abschied von Hartmut Mehdorn, tatsächlich immer noch Spätfolgen des geplanten und abgesagten Börsengangs geben, dann auch, weil man sich nie wieder richtig auf seine Aufgaben als Infrastrukturbetreiber zurückbesinnt hat. Dann müssen eben Schneepflüge angeschafft und Personal eingestellt werden.

Überhaupt muss man sich die Frage stellen, welche Ansprüche die Nutzer der Infrastruktur denn haben müssen: Wielange muss ein SPNV-Betreiber warten, bis der Bahnübergang wieder geht und was passiert, wenn der reproduzierbar über Jahre und Jahrzehnte hinweg immer wieder kaputt ist und Verspätungen verursacht? Was ist bei dauerdefekten Aufzügen und Rolltreppen an den Bahnhöfen? Auch hier ist es Zeit, verbindliche Pflichten für den Infrastrukturbetreiber einzuführen.

Ob die Bundesnetzagentur das alles mit juristischen Mitteln regel kann, ist fraglich. Hier sind auch die Ampelkoalitionäre gefragt, den Weg freizumachen für eine Eisenbahnregulierung, die auch in Infrastrukturfragen Qualität und Leistung sicherstellt. Ein weiteres Thema muss aber zusätzlich angesprochen werden: Was machen wir, wenn z.B. DB Fernverkehr bei Schneefall oder einfach einer schlechten Wettervorhersage den Betrieb weitgehend einstellt? Im Regionalverkehr würde der Aufgabenträger dies im Rahmen der Verkehrsverträge sanktionieren und auch beim Konzept Verkehrsvertrag 2.0 würden saftige Strafzahlungen fällig werden – zurecht.

Aber im SPFV, der angeblich auch mit Deutschlandtakt komplett eigenwirtschaftlich funktionieren soll, da gibt es keinen Aufgabenträger, der eingreift und Qualitätsstandards definiert. Wenn die DB AG hier eigenmächtig den Verkehr einstellt, dann muss sie vielleicht Entschädigungen zahlen oder Fahrscheine erstatten, aber es gibt niemanden, der entsprechende Maßnahmen ergreifen kann, die ein Aufgabenträger bei unbegründeten Leistungsverweigerungen im Regionalverkehr ganz selbstverständlich anwenden würden.

Auch das ist eine Frage, der sich eine neue Bundesregierung zuwenden kann, ja zuwenden muss. Wenn man wirklich die Eisenbahn als Verkehrsträger stärken möchte, dann reicht es nicht, einfach nur unreflektiert nach „mehr Geld“ zu rufen, sondern man muss die Eisenbahn so gestalten, dass Zuverlässigkeit und Qualität gewährleistet werden – und nicht nach Lust und Laune Ausfälle produziert werden.

Siehe auch: DBNetzA stärkt Qualitätsanspruch im Winter
Foto: Deutsche Bahn AG / Uwe Miethe

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