VDV fordert bundesweite ÖPNV-Ausbauoffensive
30.01.23 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zieht eine positive Bilanz nach Corona und dem Neun-Euro-Ticket. Man blickt positiv auf das für Mai geplante Deutschlandticket. Aktuell liegen die ÖPNV-Fahrgastzahlen im bundesweiten Durchschnitt bei etwa neunzig Prozent der Nachfrage, die es im bisherigen Rekordjahr 2019 gab. Damals zählten die Verkehrsunternehmen und Verbünde etwa 10,4 Milliarden Fahrten, im Jahr 2022 waren es laut Prognose rund 9,3 Milliarden.
VDV-Präsident Ingo Wortmann: „Wir kommen aus einem spannenden, herausfordernden Jahr: im ersten Halbjahr weiterhin Corona plus Krieg in der Ukraine mit der Folge der Energiekrise und der Inflation. Und daraus folgend im Sommer das Neun-Euro-Ticket sowie die Debatte um das Deutschland-Ticket. Das hat die Branche deutlich gespürt und spürt es bis heute: Wir haben uns zwar gegenüber 2021 bei den Fahrgastzahlen wieder gesteigert, sind aber noch immer nicht bei der Nachfrage aus dem Rekordjahr 2019.“
Wortmann: „Wir haben also noch Potenzial bei den Fahrgastzahlen, aber nach über zwei Jahren Coronapandemie, einer Energiekrise und extrem steigender Inflation sind wir mit der aktuellen Nachfrage im ÖPNV nicht unzufrieden. Wir haben auch deutlich gemerkt, dass das Neun-Euro-Ticket in den drei Monaten seiner Gültigkeit die Fahrgastzahlen deutlich erhöht hat. Und was uns dabei positiv nach vorne blicken lässt: viele sind auch danach bei uns geblieben, wenn auch leider nicht alle“, so Wortmann.
Fast dreißig Prozent der Neukunden nutzen weiterhin ÖPNV Die abschließende Marktforschung zum Neun-Euro-Ticket, die nach dem Aktionszeitraum zwischen September und November bundesweite repräsentativ durchgeführt wurde, liefert dabei für die Branche einige interessante Ergebnisse hinsichtlich der Planungen für das kommende bundesweit gültige Deutschland- Ticket. Demnach bleiben einige neu erschlossene Kundengruppen dauerhaft dabei – erst recht, wenn die Zeitkarte künftig im Vergleich zu heute stark ermäßigt wird. Allerdings hat die Befragung nach dem Neun-Euro-Ticket auch gezeigt, dass die Häufigkeit von Autofahrten bei den Befragten wieder auf dem alten Niveau liegt.
„Von den zahlreichen verlagerten PWK-Fahrten ist nach Ende der Aktion nicht viel übrig geblieben. Das darf aber auch nicht verwundern, denn innerhalb von nur drei Monaten ändern die Menschen ihr Mobiltätsverhalten nicht dauerhaft. Wir sehen also in dieser Entwicklung eher das Potenzial, diese Zielgruppen mit einem längerfristigen Angebot wie dem Deutschland-Ticket wieder vom ÖPNV zu überzeugen“, erläutert Wortmann.
Bis zur Einführung des Deutschland-Tickets gibt es noch zahlreiche Prozesse, die sowohl politisch als auch von den Verkehrsunternehmen und Verbünden umgesetzt werden müssen. Trotzdem blickt die Branche mit großer Erwartung auf das Ticket: „Wir wollen das Deutschland-Ticket zum Erfolg werden lassen. Erfolg heißt in dem Fall: deutlicher Fahrgastzuwachs und gute Beförderungsqualität für möglichst alle Kundinnen und Kunden, auch wenn es mal voller wird“, so Wortmann.
In einer ersten Abschätzung prognostiziert der VDV dabei mit rund 5,6 Millionen Neueinsteiger, die im Rahmen des Deutschland-Tickets erstmals ein ÖPNV-Abo abschließen könnten. Zudem geht der Verband von etwa 11,3 Millionen Umsteiger aus, also Fahrgästen, die aus einem anderen Abo in das neue Angebot wechseln werden. Bevor das Deutschland-Ticket tatsächlich verkauft werden kann, sind jedoch noch zahlreiche Vorarbeiten und politische Beschlüsse nötig.
So fehlen unter anderem noch die Rückmeldung der EU-Kommission zur beihilferechtlichen Prüfung, eine bundesweite Tarifgenehmigung sowie vor allem die Anpassung des Regionalisierungsgesetzes mit dem die Mittel zur Finanzierung und Sicherung der Liquidität der Branche sichergestellt werden müssen. „Aus unserer Sicht kann es am 1. Mai losgehen mit dem Deutschland-Ticket, also Verkauf ab Anfang April“, so Wortmann.
Zuletzt weißt der VDV darauf hin, dass allein mit einem günstigen bundesweiten Nahverkehrsticket die Klimaschutzziele im Verkehrssektor bis 2030 nicht zu erreichen sind. Daneben muss es, wie bereits im Koalitionsvertrag der Ampel-Bundesregierung vereinbart, eine Ausbau- und Modernisierungsoffensive für die ÖPNV-Systeme geben. Dazu zählen neben deutlicher Kapazitätsausweitung auch neue Straßenbahn- und U-Bahn-Projekte sowie die Sanierung, Instandsetzung und der barrierefreie Ausbau der vorhandenen Infrastrukturen.
Siehe auch: Zumindest ist viel Potential da