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VCD: Kritische Bilanz nach einem Jahr Ampelkoalition

08.12.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Heute vor einem Jahr, am 8. Dezember 2021 kam die Ampelkoalition ins Amt. Nach nunmehr einem Jahr zieht der Verkehrsclub Deutschland (VCD) eine verkehrspolitische Zwischenbilanz. Kerstin Haarmann, Bundesvorsitzende des Verbands: „Der Expertenrat für Klimaschutz hat es auf den Punkt gebracht: Der Verkehr müsste seine Anstrengungen ums Vierzehnfache verstärken, um das Klimaziel für 2030 noch zu erreichen. Besser kann man die Misere nicht beschreiben. Entgegen aller Versprechen im Koalitionsvertrag hinkt der Verkehr beim Klimaschutz hinterher – und Besserung ist nicht in Sicht.“

Schuld ist nicht allein die aktuelle Regierung. Auch ihre Vorgänger haben den Klimaschutz im Verkehr vernachlässigt und notwendige Entscheidungen über Jahre vertagt. Doch auch unter Volker Wissing gibt es keine Verkehrswende. Hinzu kommt, dass er bewusst die Vorgaben des Klimaschutzgesetzes missachtet. Und seine Vorschläge für das Klimaschutzsofortprogramm sind derart anspruchslos, dass sie der Klimarat erst gar nicht im Detail prüfen wollte.

Haarmann: „Vor allem die FDP steht auf der Bremse. Sie hängt an alten Zöpfen und versucht, jeden Wandel zu verzögern. Das beste Beispiel liefert FDP-Chef und Porsche-Freund Christian Lindner: Er beharrt auf synthetischen Kraftstoffen für Pkw, selbst nachdem die EU das Verbrenner-Aus ab 2035 beschlossen hat. Ebenso stur kämpft die FDP gegen das Tempolimit, obwohl die Argumente auf der Hand liegen und die Mehrheit dafür ist. Der Partei fehlen – wie der Union – Konzepte, um den Verkehr auf Klimakurs zu bringen. Sie blockiert fast alle sinnvollen Maßnahmen im Namen einer vermeintlichen Freiheit – und riskiert damit, dass wir unsere Freiheit langfristig verlieren.“

Statt dessen erlebe Deutschland, so heißt es beim VCD, „eine Verkehrspolitik von vorgestern. Haarmann: „Die Bahn pfeift auf dem letzten Loch und schafft es kaum, wenigstens das bestehende Angebot aufrechtzuhalten. Das liegt auch an Zusatzbelastungen wegen des Ukraine-Krieges. Doch der bitter notwendige Ausbau des Angebots kommt ohnehin viel zu langsam voran. Dennoch pumpt die Regierung das meiste Geld in die Straße. Schiene und Radverkehr müssen um jeden Euro kämpfen, während Auto und Flugzeug großzügig subventioniert werden – mit niedrigen Dieselsteuern, dem Dienstwagenprivileg und der Pendlerpauschale; mit steuerfreiem Kerosin und Auslandsflügen.“

Deshalb fordert man eine Abschaffung dieser Privilegien um Geld freizusetzen, das für öffentliche Verkehrsmittel genutzt würde. Haarmann: „Doch die Regierung bleibt untätig – trotz ihres Ziels, mehr Menschen und Güter auf die Schiene zu bringen. Es bleibt abzuwarten, ob die Ampel es wenigstens schafft, sinnlose und zum Teil veraltete Autobahn-Projekte aus dem Bundesverkehrswegeplan zu streichen. Gegen viele dieser Vorhaben wehren sich Landesregierungen und Zivilgesellschaft, doch auch hier stellen sich der Bund und allen voran das Verkehrsministerium bislang stur. Und die kleine versprochene Reform des Straßenverkehrsrechts, um Kommunen mehr Entscheidungsspielraum zu geben, ist ebenfalls noch nicht in Sicht.“

Somit bleibt nach einem Jahr Ampel als einzig positive Maßnahme die Einführung des Neun-Euro-Tickets im Sommer – doch die entsprang keiner klugen Politik, sondern wurde aus der Not geboren: Sie sollte dem Tankrabatt eine ökologische Maßnahme zur Seite stellen. Eine Fortführung wurde mit dem Deutschlandticket zwar beschlossen, die Einführung aber immer wieder vertagt. Haarmann: „Drei Jahre hat die Ampel noch, ihren Kurs zu ändern. Diese Zeit muss sie nutzen, um ihre Versäumnisse wettzumachen. Klimaschutz muss Priorität werden, ebenso wie Energiesicherheit und soziale Gerechtigkeit.“

Siehe auch: Weit mehr als nur eine Legislaturperiode

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