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Weit mehr als nur eine Legislaturperiode

08.12.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Nach einem Jahr Ampelkoalition erleben wir, auch wenn der VCD sicher noch mehr fordert, eine massive eisenbahnpolitische Veränderung. Wenn das 49-Euro-Ticket kommen sollte, dann wäre es das Ende der immer weiter auf die Spitze getriebenen Nutzerfinanzierung. Stattdessen wäre eine bezahlbare Eisenbahn nun im politischen Fokus, gerade für Berufspender, die über Stadt- und Verbundgrenzen hinausfahren. Ob das Neun-Euro-Ticket nun eine Kompensation für den Tankrabatt war oder eine eigenständige Idee sei dahingestellt.

Tatsache ist, dass wir es geschafft haben, öffentliche Verkehrsmittel für einen Sommer in den Fokus des Interesse zu rücken. Dazu gehört auch, dass man zwar Berufspendler entlasten konnte, die Züge aber vollgestopft waren mit Spaßfahrern und Touristen, die in einem Zeitfenster von 92 Kalendertagen möglichst viel mitnehmen wollten was man zwischen Flensburg und Füssen alles erleben kann. Das hat dazu geführt, dass manch einer auf die Bahncard 100 umgestiegen ist und den SPFV genutzt hat oder aber gleich aufs Auto. Jetzt jedoch erleben wir einen anderen Ansatz: Die dauerhafte Preissenkung.

Natürlich soll das nicht darüber hinwegtäuschen, dass Deutschland sich in einer massiven Eisenbahnkrise befindet. Diese ist aber weder von der Ampelkoalition verursacht worden noch kann hier pauschal „die Vorgängerregierungen“ oder Bundesverkehrsminister der CSU verantwortlich machen, auch wenn einige Branchenakteure das gerne würden. Die Eisenbahnkrise ist über Jahre, über Jahrzehnte entstanden. So wurde die Ausbildung von Mitarbeitern vernachlässigt. Viele Eisenbahnverkehrsunternehmen haben diese auf Sparflamme laufen lassen, falls überhaupt, dann finanziert von Arbeitsämtern.

Aufgabenträger haben dem zugeguckt, aber nicht aus Desinteresse, sondern weil sie selbst nicht auskömmlich finanziert waren. Klar, das hatte auch damit zu tun, dass die Regionalisierungsgelder zeitweise zu niedrig waren. Das ist aber keine alleinige Bundesentscheidung gewesen, sondern erfolgte mit Zustimmung der Länder, die ebenfalls eine finanzielle Verantwortung haben, diese aber lieber allein auf den Bund schieben.

Auch DB Netz hat keine vorausschauende Personalpolitik gemacht, sonst hätte man nicht ständig geschlossene Strecken wegen fehlender Fahrdienstleiter für die Stellwerke. Gleichzeitig ist die Arbeitsmarktlage eine andere. Der Eisenbahner ist nicht mehr um jeden Preis auf seinen Job bei der Eisenbahn angewiesen, sondern ist auch woanders ein attraktiver Bewerber.

Wer verstärkt auf Quereinsteiger setzt muss sich auch dem Problem der Schnellfluktuation stellen: Die ÖBB sagen, dass fast zwanzig Prozent der Quereinsteiger in den ersten zwei Jahren wieder geht. Wie hoch diese Zahl in Deutschland ist, ist nicht bekannt, aber es gibt keinen Grund zu der Annahme, dass sie sich grundlegend unterscheidet. Hier muss man sich also auch für Bestandsmitarbeiter attraktiv zu machen. Das alles wird ein Kraftakt für Bund und Länder, der auch deutlich über das Ende der Legislaturperiode im Herbst 2025 hinausgeht.

Siehe auch: VCD: Kritische Bilanz nach einem Jahr Ampelkoalition
Foto: SatyaPrem

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