VDV zieht Neun-Euro-Ticket-Bilanz
01.09.22 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Das Neun-Euro-Ticket endet zum heutigen 1. September. Damit geht eine in der deutschen Eisenbahngeschichte einmalige Aktion zu Ende, die dafür gesorgt hat, dass die Schiene die Schlagzeilen innehat und die die Fahrgastzahlen in die Höhe getrieben hat. Eine organische Nachfolge allerdings steht bislang aus. Der VDV hat Bilanz gezogen. So spricht man von ungebrochener Popularität und einem nachweisbaren Erfolg bei der „Bekämpfung des Klimawandels“.
Seit dem Verkaufsstart Ende Mai wurden rund 52 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft. Hinzu kommen mehr als zehn Millionen Zeitkarteninhaber, die das vergünstigte Ticket jeweils monatlich über den Aktionszeitraum automatisch erhalten haben. Ungeachtet der laufenden Diskussionen über eine Nachfolgeregelung fordern Landespolitiker und der Branchenverband langfristige Finanzierungsgrundlagen für einen zukunftsfähigen öffentlichen Nahverkehr. Zehn Prozent der Fahrten mit dem Neun-Euro-Ticket haben eine Fahrt ersetzt, die sonst mit dem Pkw unternommen worden wäre. Insgesamt liegt der Anteil der aus anderen Verkehrsmitteln verlagerten Fahrten bei 17 Prozent.
„Die Ergebnisse der Marktforschung belegen deutlich: Die Menschen wollen den öffentlichen Nahverkehr, wenn das Ticket einfach und verständlich sowie überall flexibel nutzbar ist. Und sie sind bereit, ihr Auto dafür stehen zu lassen, wenn so ein Ticket nicht nur über den überschaubaren Zeitraum von drei Monaten geht“, bilanzierte die Bremer Verkehrssenatorin Maike Schaefer (Grüne) in ihrer Funktion als Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz (VMK) der Länder.
Umgekehrt heißt das aber auch: Zwischen 83 und neunzig Prozent der Fahrten wären ohne das Neun-Euro-Ticket entweder dennoch oder aber überhaupt nicht durchgeführt worden. Hier jedoch wurde bei der genauen Verteilung nicht mehr so genau hingeschaut: Wie viele Spaßfahrten zwischen Flensburg und Füssen unternommen worden sind für Partys, die auf Sylt statt im Schrebergarten in Essen-Bergeborbeck stattgefunden haben ist unbekannt.
Dabei ist der Preis gerade für bisherige Nicht-Eisenbahnnutzer gar kein so entscheidender Faktor: Der Ticketpreis spielt für Neukunden eine deutlich geringere Rolle als für bestehende Abonnenten. Er ist zwar mit 56 Prozent auch bei den Neukunden das Hauptargument für den Kauf, gleich dahinter nennen jedoch 43 Prozent der befragten Neukunden den Verzicht auf Autofahrten als Kaufgrund.
Auch die Flexibilität sowie die bundesweite Gültigkeit werden als wichtige Kaufargumente genannt. Unter den Befragten, die das Ticket nicht gekauft haben, sind Hauptgründe gegen den Kauf des Neun-Euro-Tickets fehlende Nutzungsanlässe (37 Prozent), die Vorliebe fürs Auto (35 Prozent) und umständliche Verbindungen (33 Prozent). Im ländlichen Raum dominieren als Nichtkaufgründe umständliche Verbindungen, Taktung, Fahrtdauer und Entfernung zur Haltestelle. Die Verkaufszahlen dort sind etwa halb so hoch wie in städtischen Gebieten.
Foto: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben