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Nicht so tun als wäre nichts gewesen

15.09.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Stellen Sie sich den fiktiven Pendler Fritz Eiermann vor. Herr Eiermann lebt in Wuppertal und arbeitet in Köln. Nun ist die Fahrt mit dem Auto in die Domstadt alles andere als spaßig, aber weil er vielleicht nicht die Möglichkeit hat, ein vergünstigtes Jobticket zu beziehen, ist er auf das reguläre VRS-Monatsticket angewiesen. Das kostet selbst im Abonnement 241,70 Euro pro Monat.

Weil das Neun-Euro-Ticket dafür gesorgt hat, dass die Nahverkehrszüge wegen Überfüllung nahezu unbenutzbar werden, musste Herr Eiermann sich vielleicht sogar für drei Monate eine BahnCard 100 kaufen. Die Verkäufe der BahnCard sind jedenfalls extrem gestiegen und auch wenn man nicht so gerne drüber spricht, kann man doch sicher sein, dass viele Leute dabei sind, die vom überfüllten Nah- auf den Fernverkehr umgestiegen sind.

Wenn man es jetzt schafft, die vom VDV vorgeschlagene Nachfolgeregelung für das Neun-Euro-Ticket dauerhaft einzuführen, kann man Berufspendler effektiv entlasten ohne dass es gleichzeitig überfüllte Züge wegen Spaß- und Partyfahrten gibt. Die Feier, die im Sommer auf Sylt stattfand, wird dann wieder im Schrebergarten in Essen-Bergeborbeck veranstaltet.

Aber wer wirklich drauf angewiesen ist, würde – wie im Fall der Relation von Köln nach Wuppertal um fast 200 Euro im Monat, um rund 2.300 Euro im Jahr entlastet – Geld, das für den Konsum oder auch zur Abfederung der stark steigenden Lebenshaltungskosten genutzt werden kann. Das muss die Politik jetzt machen.

Wenn man aber nach Jahrzehnten vom Dogma der Nutzerfinanzierung und des gegen hundert Prozent laufenden Kostendeckungsgrades abgeht, dann bedarf das dauerhaft einer deutlich stärker Kofinanzierung durch den Staat. Den hier hat man nicht nur drei Monate Einnahmeausfälle bei gestiegenem Nutzeraufkommen, sondern hier werden die Umsätze der Verkehrsunternehmen und verbünde dauerhaft deutlich geringer sein.

Berufspendler, die oft dreistellige Beträge im Monat zahlen sind eben nicht die Ausnahme, sondern es gibt derer sehr viele und das sind diejenigen, die dafür sorgen, dass der Kostendeckungsgrad zumindest in der Vor-Corona-Zeit gestiegen ist und sich zuletzt zwischen achtzig und neunzig Prozent eingependelt hat. Das wäre dann nicht mehr möglich und zwar dauerhaft. Das muss man aber dennoch umsetzen und das geht nur, wenn Bund und Länder an einem Strang ziehen.

Der bayrische Verkehrsminister Christian Bernreiter (CSU) ließ über den Bayrischen Rundfunk ausrichten, dass der Bund ein solches Angebot alleine finanzieren müsse, wenn er es denn haben wolle. Ein Blick in den bayrischen Koalitionsvertrag aber zeigt, dass CSU und Freie Wähler bereits im Herbst 2018 die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets für die Metropolregionen Nürnberg und München beschlossen haben. Kennt der Landesverkehrsminister seinen eigenen Koalitionsvertrag nicht oder ist ihm egal, was dort drinsteht? Man weiß es nicht. Was man aber ziemlich sicher sagen kann, ist dass man das Momentum nutzen sollte – gemeinsam finanziert von Bund und Ländern.

Siehe auch: VRS berät über Preisanpassungen
Foto: Kölner Verkehrsbetriebe AG / Christoph Seelbach

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