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EVG Sachsen: Bilanz zum Neun-Euro-Ticket

22.09.22 (Sachsen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Mit gemischten Gefühlen schauen die Mitglieder der Arbeitsgruppe Verkehrspolitik des Landesverbands Sachsen der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) auf den Zeitraum des Neun-Euro-Tickets zwischen Juni und August zurück. „Begrüßenswert ist, dass auch Menschen durch das Neun-Euro-Ticket überregionale Mobilität ermöglicht wurde, die es sich bei den bestehenden Angeboten nicht leisten konnten. Ein Öffentlicher Personennahverkehr ohne Tarifdschungel wäre möglich!“, sagt Philipp Keikert, Gewerkschaftssekretär bei der EVG in Sachsen.

Die EVG fordert schon seit längerem, dass für eine erfolgreiche ökologische Verkehrswende der öffentliche Personenverkehr attraktiver sein muss als die Nutzung des Autos. Nur darf dies nicht zu Lasten der Beschäftigten der Eisenbahn- und Verkehrsunternehmen und der Qualität gehen.

Michael Lehmann, Betriebsratsvorsitzender bei der DB Fernverkehr am Standort Leipzig konkretisiert: „Ob Personal, Infrastruktur oder Material. Immer wieder wurden in der Vergangenheit notwendige Maßnahmen für den Ausbau und Kapazitätserweiterungen eingespart. Beim Personal wurden in den letzten Jahrzehnten im Bundesland Sachsen die Zahl der Mitarbeitenden reduziert. Lange Zeit hat sich für Interessierte keine Möglichkeit geboten, in Sachsen und den anderen neuen Bundesländern zu arbeiten. Das rächt sich nun: Lange aufgeschobene Maßnahmen zur Modernisierung, Erneuerung und Ausbau der Infrastruktur können nicht umgesetzt werden, weil das Personal fehlt.“

Lehmann: „Die Werke haben keine Fachkräfte zur Wartung und Reparatur der Fahrzeuge; vor demselben Probleme stehen die Infrastrukturbetriebe, die sich um Bau und Instandhaltung des Streckennetzes kümmern. Das sind auch hausgemachte Probleme. Überall werden, auf Grund des demographischen Wandels und verpasster Gelegenheiten, um frühzeitig gegensteuern zu können, Mitarbeitende händeringend gesucht. Wer sich schon in eine Branche orientiert hat und dort gute Arbeits- und Sozialbedingungen vorfindet, sowie Familie, Freundeskreis und Beruf vereinbaren kann, wird nicht wechselbereit sein.“

„Dazu sind viele Mitarbeitende mit einer immensen Steigerung der Arbeitsbelastung konfrontiert. Es kann nicht genügend Personal auf einmal nachgeführt werden“, ergänzt Jens Steinert von der DB Bahnbau Gruppe in Dresden. Während des Zeitraums des Neun-Euro-Tickets war auch das Personal weiterhin mit dem Problem der gestiegenen Aggressivität der Fahrgäste und Sicherheitsrisiken konfrontiert.

„Die Politik verlangt zum Beispiel von uns weiterhin die Durchsetzung der Maskenpflicht. Schon vor dem Anstieg des Fahrgastaufkommens konnten wir dies kaum personell stemmen“, sagt Christine Kümmel, Betriebsrätin bei der Erzgebirgsbahn in Chemnitz. „Von der Finanzierung des dafür nötigen Sicherheitsdienstes ganz zu schweigen. Wir können dies nicht aus unserem Budget leisten, selbst wenn wir wollten. Hier sehen wir als EVG auch weiterhin die Politik in der Pflicht.“

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