Zu gelähmt für den großen Wurf
14.12.17 (Fernverkehr, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Dass man zwischen der bajuwarischen Landeshauptstadt München, dort wo der beste und einzig konkurrenzfähige Fußball in Deutschland gespielt wird, eine anständige SPFV-Anbindung an die Bundeshauptstadt braucht, ist ja wohl naheliegend und dürfte außer Frage stehen. Wenn man es zudem schafft, die Fahrpläne so zu gestalten, dass man an den Unterwegshalten, wie Nürnberg oder Erfurt, vernünftige Übergangslösungen ins übrige Eisenbahnnetz hat, dann kann der Verkehrsträger Schiene erheblich profitieren.
Dass eine Neubaustrecke, die sich Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nummer 8 nennt, mehr als 28 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer ihren Betrieb aufnimmt, ist indes tragikomisch. Zur Erinnerung: Die Berliner Mauer hat auch überhaupt nur 28 Jahre, nämlich vom 13. August 1961 bis zum 9. November 1989, unsere Hauptstadt geteilt. Man braucht also eine ganze Generation, wenn nicht noch länger, um eine solche Strecken zwischen zwei so wichtigen Städten der Bundesrepublik zu bauen.
Ein am 9. November 1989 geborenes Baby blickt dieser Tage seinem dreißigsten Geburtstag entgegen und hat vielleicht selbst schon Kinder. Wenn man bedenkt, dass in einem ähnlichen Zeitraum im 19. Jahrhundert das Eisenbahnnetz als solches im damaligen Deutschen Bund erbaut worden ist, muss man sich fragen, ob wir gerade in puncto Infrastrukturaufbau nicht einen Bürokratieabbau brauchen, der diesen Namen wirklich verdient hat.
Aber gut, solche Dinge lassen sich an dieser Stelle nicht lösen. Wohl aber ist es Zeit, über den SPFV als solches zu sprechen. So schön die schnelle Verbindung ja ist, so sehr liegt der Anschluss manch anderer Oberzentren nach wie vor im argen. Was ist denn jetzt, wenn ich so ein Oberzentrum wie Siegen erreichen möchte? Oder wenn es von Erfurt aus weiter nach Chemnitz oder Kassel geht?
Auf der Mitte-Deutschand-Verbindung, einer der wichtigsten und zentralen Ost-West-Achsen im deutschen Eisenbahnnetz, gibt es auch heute keinen SPFV. Von Leipzig nach Kassel geht es oft nur mit dem Regionalverkehr, zum Teil muss man sogar die RegioTram nutzen. Keine Frage, so eine Zwitterform aus Eisenbahn und Straßenbahn mag für die Erschließung des Kasseler Umlandes sehr, sehr gut sein aber wenn es um die Verbindung etwa ins Ruhrgebiet oder Richtung Sachsen geht, dann reicht das eben nicht.
Trotz aller erfolgreicher Leuchtturmprojekte fehlt der viel zitierte Deutschlandtakt auch heute noch. Und ganz gleich, welche Koalition wir im Laufe des ersten Halbjahres 2018 bekommen werden, wahrscheinlich wird ein solcher Deutschlandtakt im Koalitionsvertrag erneut festgehalten werden. Das hat man ja in den letzten Legislaturperioden auch immer gemacht, und zwar auch immer ohne dass es irgendwelche politischen Folgen gehabt hätte.
Alle sind für den Deutschlandtakt, wenn man fragt, aber keiner kümmert sich um die Organisation des SPFV. Und so wichtig das wäre, das Land dürfte in einem solchen Zustand der Lähmung sein, dass sich niemand an einen großen Wurf traut, wie er hier notwendig wäre. Schade!
Siehe auch: VDE 8 wurde feierlich eröffnet