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Das Abellio-Urteil war und ist gut

14.08.17 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Was gab es nicht für Szenarien, die nach dem Abellio-Urteil an die Wand gemalt worden sind: Die Unternehmen seien mit der zu erwartenden „Vergabewelle“ überfordert, es sei davon auszugehen, dass die Aufgabenträger keine Bieter mehr bekommen und vieles mehr. Den Gipfel der Skurrilität hat ein Welt-Artikel erreicht, in welchem behauptet wurde, in naher Zukunft müssten zahlreiche Strecken gegen den Willen der Aufgabenträger geschlossen werden, weil sich niemand mehr finden würde, der Interesse hätte zu fahren.

Wenige Woche nach dem Abellio-Urteil gab es Szenarien, die das erkennbare Ziel hatten, Abgeordnete aus dem Bundestag und den Landtagen nervös zu machen: Viele von denen haben zwar keinen Sachverstand in puncto Eisenbahnpolitik, sind dennoch ernsthaft besorgt, wenn es um den SPNV-Anschluss ihres Wahlkreises geht. Ähnliches gilt für Bürgermeister und Landräte, die nicht wissen, wie die Schiene organisiert ist, aber die vor Ort ein berechtigtes Interesse an einer guten Anbindung haben.

Interessant ist, dass auch vor sechs Jahren behauptet wurde, in den kommenden fünf Jahren würde die Hälfte des Marktvolumens neu vergeben werden. Natürlich hat man seinerzeit auch die gleich die Lösung parat gehabt: Man muss einfach nur einen erheblichen Teil der Leistungen an DB Regio direkt vergeben, man muss eine hohe Zahl langfristiger Vertragsverlängerungen machen – natürlich erst, wenn die juristische Grundlage vorhanden ist – und schon ist die bundesdeutsche Eisenbahnwelt wieder gerettet.

Mit sechs Jahren Abstand wissen wir aber: Es musste keine Strecke geschlossen werden. DB Regio hat sich, entgegen anderer Ankündigungen, an den allermeisten Ausschreibungen beteiligt. Dass man sich künftig nur noch an einigen wenigen und ausgewählten Vergaben wird beteiligen wollen ist ebenso wenig eingetreten wie der Marktaustritt im Zusammenhang mit Herstellerwartungsmodellen.

Man ist einer von vielen Akteuren am Markt und die Qualitätsberichte zeigen, dass DB Regio zwar keine überragende Stellung mehr in puncto Marktanteil hat, dass aber sehr wohl Qualität und Leistung stimmen. Es gibt eben keine Monopolisten mehr. Dafür ist der Markt attraktiver geworden: Eine ergebnisoffene Marktevaluierung, ganz gleich welcher Ausgestaltung, ist jetzt eben keine Gnade des Aufgabenträgers mehr, der jederzeit auch mit DB Regio was aushandeln kann, sondern ein einklagbares Recht. Mit Go-Ahead und National Express sind zwei internationale Schwergewichte in den deutschen Eisenbahnmarkt neu eingetreten.

Von einem Ersteller- oder Bietermangel kann keine Rede sein. Dass diese Unternehmen übrigens gerade nach dem Abellio-Urteil ihren Weg nach Deutschland gefunden haben liegt nicht daran, dass die das Land zwischen Rhein und Oder auf dem Globus zufällig neu entdeckt haben, sondern mit der neuen Rechtslage. Das Vergabevolumen ist konstant hoch, denn der deutsche Eisenbahnmarkt ist groß. Statt einer Vergabewelle gibt es jedes Jahr viele Ausschreibungen mit der Chance für alle, Geld zu verdienen. Der Wettbewerb wirkt und ist erfolgreich – und das trotz allen Unkenrufen.

Siehe auch: BAG SPNV legt Wettbewerbsfahrplan vor

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