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Allianz pro Schiene kürt Bahnhöfe des Jahres

31.08.15 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld

In der vergangenen Woche hat die Allianz pro Schiene erneut ihre Bahnhöfe des Jahres vorgestellt. Damit will der Verband die Eisenbahn in der öffentlichen Wahrnehmung weg vom oft anrüchigen Image der alten Behördenbahn bringen und darauf hinweisen, dass viele Bahnhöfe multimodale Verkehrsknotenpunkte sind, die nichts mehr mit Fäkalgeruch, Vandalismusschäden, klirrender Kälte und scharfer Zugluft zu tun haben. Die Jury hat in diesem Jahr Marburg an der Lahn in Hessen in der Kategorie Alltagsmobilität und das Duo Oberfelderschmiede/Lichtenhain im Freistaat Thüringen in der Kategorie Tourismusbahnhof prämiert. Die alten Kategorien Groß- und Kleinstadtbahnhof scheinen aufgegeben worden zu sein.

Die sechsköpfige Jury besteht aus Vertretern des Fahrgastverbandes Pro Bahn, dem Deutschen Bahnkundenverband (DBV), dem Verkehrsclub Deutschland (VCD), dem Autoclub Europa (ACE), dem Allgemeinen Deutschen Fahrradclub (ADFC) und der Allianz pro Schiene. Bei der Auswahl des Tourismusbahnhofs reisen außerdem Verkehrsexperten des Deutschen Tourismusverbandes (DTV) und der Kooperation Fahrtziel Natur mit. „Wer Marburg mit dem Zug bereist, erlebt ein kleines Wunder: der dunkle, vom Autoverkehr umbrauste Bahnhof ist verschwunden. Unter den Planen der Baugerüste hat sich der Bahnhof in eine helle, stille Alltagsschönheit verwandelt“, lobte die Jury.

„Zur Krönung dieser Wandlung hat die Stadt dieser neuen Heimstätte intelligenter Mobilität einen großzügigen Bahnhofsvorplatz vor die Füße gezaubert“, urteilten die inkognito reisenden Bahnhofstester. Auf Marburgs neuem Vorplatz kommen seit Fertigstellung des Umbaus im Jahre 2014 alle gleichberechtigt zum Zug: Fußgänger, Radfahrer, Busreisende, Autofahrer. Nur der Durchgangsverkehr muss draußen bleiben. Die Jury sah darin in Marburg ein „erstes Zeichen einer Abkehr vom Primat der autogerechten Stadt: Wenn alle Bahnhöfe in Deutschland solche Entwicklungen zu Wege brächten, hätte der öffentliche Verkehr gewonnen.“ Ob sie sich den teilweise mit veralteten Bussen und alles andere als üppigen kommunalen Busverkehr auch angeguckt haben, ist nicht bekannt.

Denn gerade hier hat die studentisch geprägte Mittelstadt zwischen Gießen und Kassel durchaus Nachholbedarf – oder auch nicht, gerade Studenten steht in vielen Fällen kein Auto zur Verfügung, sodass der Handlungsdruck im kommunalen ÖPNV relativ gering sein dürfte. Der andere Gewinner sind die beiden Stationen an der Oberweißbacher Bergbahn. „Deutschlands steilste Standseilbahn bietet die bruchlose Einbettung raffinierter Ingenieurskunst in eine überaus liebliche Landschaft“, heißt es bei der Jury. Nach dem Test waren die Juroren sicher: „Die Bahnhöfe Obstfelderschmiede und Lichtenhain haben alles, was ein Tagestourist braucht. In Obstfelderschmiede/Lichtenhain ist die Zeit stehen geblieben – im allerbesten Sinne des Wortes.“

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lobte das Engagement der Sieger: „Attraktive Bahnhöfe sind ein Gewinn für jede Gemeinde und hoch geschätzt bei allen Bahnkunden. Die Auszeichnung Bahnhof des Jahres ist seit zwölf Jahren eine begehrte Anerkennung für gelungenes Engagement um die Attraktivität der Bahnhöfe.“ Seit 2004 werden jährlich die Bahnhöfe des Jahres gekürt, bislang kamen sie aus allen Bundesländern mit Ausnahme Nordrhein-Westfalens. „Im Laufe der zwölfjährigen Geschichte des Wettbewerbs sind wir immer wieder darauf gestoßen, dass die gute Zusammenarbeit vor Ort entscheidend für den Sieg ist“, sagte Dirk Flege, Jury-Mitglied und Allianz pro Schiene-Geschäftsführer am Mittwoch in Berlin.

In Marburg habe die Stadt ganz entscheidende Impulse für die Gestaltung des neuen Bahnhofs gegeben. In Thüringen sei die Bergbahn sogar der wesentliche Motor beim Zusammenwachsen der verschiedenen Gemeinden zu einer Tourismusregion. „Bahnhöfe sind Querschnittsaufgaben“, sagte der Verbandsgeschäftsführer. „Wir verstehen unsere Bahnhöfe heute als Drehscheibe für Mobilität. Die Auszeichnung für den Bahnhof Marburg zeigt einmal mehr, dass diese Strategie bei all unseren Kunden gut ankommt. Ganz besonders freut uns, dass die Jury die Barrierefreiheit des Marburger Bahnhofs herausgestellt hat. Denn hier ermöglichen wir mobilitätseingeschränkten Personen mit Brailleschrift, taktilen Leitsystemen und einem stufenfreien Ausbau einen optimalen Zugang zum System Bahn“, sagte André Zeug, Vorstandsvorsitzender der DB Station&Service AG, die die Bahnhöfe und ihre Immobilien betreibt.

Siehe auch: Finanzierung, Qualität und Leistung

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