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Rhein-Ruhr-Express statt Sozialticket

23.04.12 (Kommentar, Nordrhein-Westfalen, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Dreißig Millionen Euro gibt das Land Nordrhein-Westfalen im Jahr für ein sogenanntes „Sozialticket“ aus. Oder anders gesagt: Man würde gerne, denn einen gültigen Haushalt fürs laufende Jahr gibt es nicht. Aber es ist mit dreißig Millionen Euro veranschlagt. Erwerbslose und Geringverdiener sollen verbilligt öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Eigentlich ist das ja auch gut so. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Sozialticket aber als Flop. Warum?

Das Sozialticket kostet im VRR dreißig Euro im Monat. Der Kunde spart damit sieben Euro. Eine nennenswerte Entlastung ist das nicht – und der Preis für die mit dem Sozialticket einhergehende Stigmatisierung ist ein ganz anderer. Es steht nämlich in fetten Lettern „Sozialticket“ auf der Monatskarte. Dabei ließen sich diese Informationen problemlos auf einer gängigen Chipkarte speichern.

„Na Hartzi, bisse grad aufgestanden?“ Eine nette Begrüßung für jemanden, der um 14 Uhr zum Vorstellungsgespräch muss und um 13 Uhr in den Bus einsteigt, schließlich gilt der kontrollierte Einstieg. Jeder Busfahrer sieht das Ticket sofort. Das ist vielleicht etwas übertrieben. „Ach, en Sozi-Ticket? Na dann fahr´n Se ma mit!“ Dieser Satz soll einem Zeitungsbericht zufolge schon gefallen sein.

Und für diese sieben Euro Entlastung zum Preis einer öffentlichen Brandmarkung zahlt die Landesregierung dreißig Millionen Euro. Dass die Veranstaltung zum kommerziellen Misserfolg zu werden droht, kommt erschwerend hinzu. Vielleicht würde es reichen, wenn man sich mal mit den Hartz 4 Empfängern unterhält, die trotz ihrer angespannten finanziellen Lage lieber ein paar Euro mehr ausgeben.

Sei´s drum! Viel interessanter ist die Frage, was mit diesen dreißig Millionen Euro im Jahr wirklich machbar wäre. Wieso nimmt man das Geld nicht lieber um Leistungsausweitungen im SPNV zu finanzieren? Hier könnte die Landesregierung ganz gezielt kurzfristig überall dort Förderbescheide erstellen, wo zusätzliche Zugkilometer keine Infrastrukturmaßnahmen benötigen.

Im Rahmen der Ausschreibung der Haardachse ist im vergangenen Jahr eine für den Rhein-Ruhr-Express benötigte Leistungsausweitung geplatzt. Die Vergabe ist daher ein Beleg dafür, dass der Rhein-Ruhr-Express, wenn er kommen sollte, in einer Vorstufe hängen bleiben wird. Mit einer Verlängerung der Linie RE 42 nach Mönchengladbach und einer Verlegung der Linie RE 11 nach Düsseldorf ließe sich das Angebot im Ruhrgebiet verbessern. Die Infrastruktur ist bereits heute vorhanden. Die Angebotsverbesserung scheiterte an der Weigerung der rot-grünen Landesregierung, sich finanziell an den Mehrkosten für den Betrieb zu beteiligen.

Anderes Beispiel: Die Linien S 5 und S 8 waren nach der Senkung der Regionalisierungsgelder von Abbestellungen betroffen. 200.000 Zugkilometer sind das im Jahr, die dort fehlen. Bei dem Preis, der im Rahmen der Ausschreibung erzielt worden ist, würde man mit einer Million Euro im Jahr die Kürzungen rückgängig machen können – wenn man bedenkt, dass dort bald ein Bruttovertrag gilt, würde tendenziell eher weniger Geld benötigt werden, weil die zusätzlichen Fahrgeldeinnahmen einen Teil der Kosten decken würden.

Wenn man von der neuen Linie RRX 4 absieht, ließen sich die meisten Leistungsausweitungen für den Rhein-Ruhr-Express heute schon realisieren. Die Verlängerung der Linie RE 6 zunächst über Neuss und Dormagen nach Köln und auch weiter zum Köln-Bonner Flughafen braucht keinen Infrastrukturausbau. Wenn die Linie RE 11 wieder nach Düsseldorf fährt, dann könnte man sie auch nach Köln verlängern. Vielleicht nicht über Leverkusen – aber wieso nicht über Solingen? Selbst eine Verlängerung nach Bonn könnte dann geprüft werden, um endlich eine Direktverbindung zwischen dem Ruhrgebiet und der Bundesstadt einzuführen.

Die Linie S 28 soll nach Wuppertal verlängert werden. Das ist auch gut so, denn im Moment endet sie quasi im „Niemandsland“ in Mettmann. Eine Verlängerung nach Wuppertal-Vohwinkel oder besser noch zum Hauptbahnhof in Wuppertal-Elberfeld würde erneut für eine massive Fahrgaststeigerung sorgen. Die Verlängerung des Ostastes über Kaarster See hinaus nach Viersen in den „nächsten Knoten“ könnte dann als nächstes angepackt werden.

Die Verbindung aus Siegen ins Ruhrgebiet ist schlecht. Vor allem zur Tagesrandlage wird sie zur Katastrophe, wenn die Linie RE 16 aus Siegen kommend in Hagen endet, weil die Weiterfahrt nach Essen abbestellt werden musste. Reisende verlieren hier noch einmal eine halbe Stunde. Natürlich nur, wenn sie nicht mit dem Auto fahren, denn über die A 45 ist man heute schon sehr viel schneller. Aber auch abends noch eine Abellio-Leistung ins Ruhrgebiet dürfte dem Siegerland großen Nutzen bringen und zwischen Hagen und Essen wäre ebenfalls für Entlastung gesorgt.

All das wäre heute schon möglich, wenn die rot-grüne Landesregierung bereit wäre, das Geld für die Zugleistungen aus dem eigenen Haushalt aufzustocken. Nach der Senkung der Regionalisierungsgelder 2007 erhielten die Länder eine Überkompensation durch die Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuererhöhung. Das Geld ist jetzt nicht mehr zweckgebunden. Man kann es für ein Sozialticket ausgeben, man kann es irgendwo im Haushalt verfrühstücken, man kann aber auch das Angebot auf der Schiene ausweiten und somit die Stellung der Eisenbahn im Wettbewerb der Verkehrsträger verbessern. Das Schlagwort „Mehr Verkehr auf die Schiene“ ließe sich mit Inhalt füllen.

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