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Mobifair fordert einheitliche Standards für die Lokführerausbildung

01.10.11 (Allgemein) Autor:Jürgen Eikelberg

Karl M. (29) ist arbeitslos. Nach dem Hauptschulabschluss und einer Ausbildung in einem gewerblich-technischen Beruf hat er zehn Jahre zur vollsten Zufriedenheit des Arbeitgebers in diesem Betrieb gearbeitet. Doch nun hat der Chef die Firma aufgelöst, weil er mit 70 Jahren keinen Nachfolger finden konnte. Karl M. hat unzählige Bewerbungen geschrieben, aber er findet auch mit Unterstützung der Agentur für Arbeit keinen neuen Arbeitsplatz in seinem Beruf. Der Berater schlägt ihm vor, sich bei einer großen Spedition als Berufskraftfahrer zu bewerben, doch M. hat gar keinen Führerschein – jedenfalls nicht für große und schwere LKW. Die Kosten für die Ausbildung übernähme die Agentur für Arbeit, sagte man ihm.

Er willigt ein und die Spedition ist auch tatsächlich bereit, ihn einzustellen und die Ausbildung zu übernehmen. Für die Kosten kommt ja schließlich die Arbeitsagentur auf. Nach ein paar Wochen hat M. die Verkehrsregeln gelernt und auf einem LKW der Firma einige Runden gedreht. Am Ende stellt ihm der Fuhrparkleiter einen Führerschein aus. Gibt es nicht? Doch, aber nicht bei Berufskraftfahrern, die müssen einen speziellen Lehrgang bei unabhängigen und amtlich anerkannten Fahrschulen durchlaufen und werden von unabhängigen amtlich anerkannten Sachverständigen geprüft.

Zu Zeiten der Deutschen Bundesbahn, die bekanntlich eine Behörde war, wurde die Ausbildung der Lokomotivführer und Prüfung selbstverständlich durch diese selbst vorgenommen. Dies ist heute allerdings anders und das kritisiert der Verein für fairen Wettbewerb in der Mobilitätswirtschaft e. V. (mobifair) zurecht. Mobifair schreibt dazu:

Lokführer ist ein Beruf, der hohe Ansprüche fordert. Wer schon mit der Ausbildung leichtsinnig umgeht, der wird auch auf eine angemessene Fortbildung keinen Wert legen. Schon deshalb ist es dringendst notwendig, die Lokführerqualifikation einheitlich zu regeln.

Nur so kann dubiosen Ausbildungsschulen, wie ehemals easy2learn, leichtsinnigen EVU und so manchem unehrlichen Eisenbahnbetriebsleiter das Handwerk gelegt werden. mobifair hat Fälle recherchiert, in denen mangelhafte Ausbildung zum Sicherheitsrisiko wird. Es fängt an mit dem Überfahren von Signalen oder zu wenigen Kenntnissen im Betriebsdienst. Weiter geht es mit Sprachproblemen – so manches Mal wird gar nicht verstanden, was der Fahrdienstleiter will. Oder sogar – unglaublich – der Lokführer sitzt bei Abfahrt des Zuges im falschen Führerstand. Und weil das alles scheinbar noch nicht ausreicht und man dringend Lokführer benötigt, sollen sogar die Ausbildungszeiten weiter gekürzt werden.

Dazu kommt noch die Bundesagentur für Arbeit, die es zulässt, dass mit Steuergeldern zweifelhafte Lokführerausbildungen gefördert werden, bei denen der überwiegende Teil der Teilnehmer durch die Prüfung rauscht und die wenigen, die es schaffen, sich hinterher mehr als schwer mit der Umsetzung ihres Berufes tun.

Die Lokführerausbildung darf nicht zum Freibrief für Abzocker werden. Gute Lokführer bekommt man nur mit ordentlicher Ausbildung. Hier müssen endlich einheitliche Qualifikationen festgeschrieben werden. Hohe Qualitätsansprüche in diesem Beruf erfordern unter anderem technische Grundkenntnisse, qualifizierte Eignungs- und Beratungstests sowie ausreichende Betriebserfahrung vor einem Streckeneinsatz. Daher muss eine entsprechende Qualifikation der Ausbilder und Ausbildungseinrichtungen gewährleistet sein. Sie müssen vom EBA anerkannt und ständiger Erfolgskontrolle ausgesetzt werden.

Damit nicht irgendwelche Eisenbahnbetriebsleiter je nach Laune oder Bedarf über Gut und Böse der Ausbildung entscheiden können, müssen künftig neben dem EBA externe Stellen, wie zum Beispiel die IHK, bei der Prüfungsabnahme dabei sein, fordert mobifair. „Wer Lokführer braucht, soll auch selbst ausbilden“, erklärt Helmut Diener „und das auch selbst bezahlen“. Man könne sich höchstens einen erfolgsabhängigen Zuschuss der Bundesagentur für Arbeit vorstellen, aber nicht mehr.

Der Forderung, dass man künftig nur mit Realschulabschluss Lokführer werden kann, erteilt mobifair eine klare Absage. „Es gibt viele gute Hauptschüler, die darf man nicht ins Abseits stellen“, sagt Diener. Wichtig für einen Lokführer seien technischer Sachverstand, logisches Denken und vor allem der eigene Ehrgeiz, dass Lokführer mehr sein kann als nur ein Job.

Über die Bildungsgutscheine kann man geteilter Meinung sein. Nicht jedes kleine EVU kann oder will sich die Kosten einer Lokführerausbildung leisten, genau so, wie eine kleine Spedition das nicht stemmen kann. Und über Bildungsgutscheine ist schon so mancher Berufskraftfahrer wieder in Lohn und Brot gekommen. Die Kosten für einen LKW-Führerschein liegen bei mehreren Tausend Euro – und für eine Lokführerausbildung sicher nicht weniger – die ein Einzelner gar nicht schultern kann und für einen kleinen Arbeitgeber auch eine große Hürde darstellen. Da schießt mobifair meiner Ansicht nach über das Ziel hinaus.

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