Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Gute Angebote in einer sich wandelnden Gesellschaft

04.11.21 (Baden-Württemberg, Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Es ist gerade ein paar Jahre her, da erschien es völlig unmöglich, multimodale Angebote außerhalb der Metropolen zu realisieren: Unbezahlbar, undurchführbar und letztlich wird es auch niemand annehmen. Heute ist man da weiter und erkennt, dass auch die regionalen Mittelzentren sehr wohl in der Lage sind, Carsharing, Mitfahrgelegenheiten und zahlreiche weitere Angebote jenseits des konventionellen öffentlichen Verkehrs auf die Beine zu stellen.

Wobei man schon beim klassischen Stadtbusverkehr anfangen muss: Eine Stadt, die um 19 Uhr auf Nachtverkehr umstellt, der dann um 22 Uhr endet, hat die Zeichen der Zeit nicht verstanden. Es braucht auch klassische Mobilitätsverfügbarkeit zur Tagesrandlage und an den Wochenenden. Wenn an Sonn- und Feiertagen der Bus nur um 9 Uhr, 13 Uhr und 17 Uhr fährt, dann mag das ein Alibi-Angebot sein, dann muss man sich aber nicht wundern, wenn die Leute doch mit ihrem eigenen Auto fahren.

Aber die Realität hat die Bedenkenträger eingeholt und das ist auch gut so. Und so wächst eine junge Generation heran, für die es ganz selbstverständlich ist, mit dem Smartphone verschiedene Mobilitätsalternativen zu buchen und die auch später, wenn der Führerschein da ist, auf Kurzzeit-Mietwagen zurückgreift. Tatsächlich ist die junge Generation die erste seit Ewigkeiten, die weniger Auto fährt als die Elterngeneration.

Jetzt kann man das begründen, indem man eine allgemeine Verschlechterung der Lebensverhältnisse ins Feld führt: Junge Erwachsene ziehen später bei den Eltern aus, fangen später an Geld zu verdienen oder müssen sich von Praktikum zu Praktikum hangeln. Zwei Jahre Dauerpraktika nach der Schule bis man eine begehrte Lehrstelle hat, danach geht es auch erstmal nicht weiter und so werden Anschaffungen wie das eigene Auto verschoben.

Inzwischen muss man aber auch sagen, dass sich hier wieder einiges zum guten gewendet hat: Viele Unternehmen bauen wieder Lehrstellen auf und suchen händeringend Leute jeden Alters. Tatsächlich haben wir aber auch eine junge Generation, deren Erfahrung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr von der alten Behördenbahn mit ihren anrüchigen Zügen und dem offenen Rauschgifthandel auf den Bahnhöfen geprägt ist, die nicht mehr nur den schrottreifen Schulbus kennen, sondern für die die Qualitätssteigerungen der letzten Jahrzehnte selbstverständlich geworden ist.

Während man bei den älteren, die gruselige Geschichten mit ihren Bundesbahn-Erlebnissen zu erzählen haben, mit viel Aufwand Überzeugungsarbeit leisten muss, ist das bei jungen Leuten nicht mehr der Fall. Für viele ist auch die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel nicht mehr mit Einschränkungen assoziiert, einfach weil es deutlich besser geworden ist.

Diese Form der Qualitätssteigerungen haben zu Erfolgen geführt und auf die muss man jetzt aufbauen. Das alles im Kontext einer sich verändernden Arbeitswelt, in der die tägliche Fahrt ins Büro zur Vergangenheit geworden ist. Unsere Gesellschaft wandelt sich und der ÖPNV muss diesen Wandel annehmen.

Siehe auch: KVV: Startschuss für das Projekt Regiomove
Foto: connie_sf

Kommentare sind geschlossen.