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Verbände fordern mehr Elektrifizierung

22.04.21 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Nach den jüngsten Ankündigungen des Bundesverkehrsministeriums zu weiteren Elektrifizierungen im deutschen Eisenbahnnetz zeigen sich die Verbände NEE, Pro Bahn und die Allianz pro Schiene enttäuscht. Sie fordern deutlich mehr Engagement von der Bundespolitik, um elektrische Traktion auf der Schiene zur Regel zu machen. Auf der Webseite des Ministeriums wurden dann bekannte Informationen zu alternativen Antrieben und teils jahrzehntealten Plänen zur Elektrifizierung vorhandener Strecken wiederholt.

Neu war lediglich die Information, dass acht Strecken zusätzlich elektrifiziert werden sollen. Das bereits vor über zwei Jahren vom BMVI angekündigte „Ausbauprogramm Elektrische Güterbahn“ ist aus Sicht des Netzwerks Europäischer Eisenbahnen (NEE) und des Fahrgastverbands Pro Bahn eine Luftnummer.

Den Grund des harschen Urteils finden Interessierte nach einigen Klicks im nun veröffentlichten 459-seitigen Abschlussbericht zweier Gutachterbüros, der schon seit Oktober im Ministerium vorlag. Aus 173 untersuchten Vorhaben sollen demnach lediglich acht Strecken mit insgesamt 270,3 Kilometern Länge mit einer Oberleitung versehen worden.

NEE-Vorstandsvorsitzender Ludolf Kerkeling fasst die Kritik bündig zusammen: „Das passt weder zum realen Bedarf noch zu den Versprechen der Regierung, bis 2025 rund 3.500 Kilometer Strecke zu elektrifizieren. Der stellvertretende Pro-Bahn-Vorsitzende Lukas Iffländer forderte einen „Neustart der Gesamtplanung, allerdings auch die sofortige Realisierung der acht sowie weiterer unstrittiger Maßnahmen“.

Verärgert sind die beiden Verbände schon über die lange Bearbeitungsdauer und die fehlende Diskussion des Ergebnisses mit der Branche, aber auch über viele nicht nachvollziehbare Annahmen und manche unnötigen Fehler der Gutachter. So wird das Steinkohlekraftwerk Petershagen als wichtiger Verladepunkt herangezogen, obwohl es noch in diesem Jahr stillgelegt wird.

Auch ist die Strecke von Herzogenrath zur niederländischen Grenze bereits elektrifiziert. Eine kritische Durchsicht des Gutachtens haben die beiden Verbände dem Verkehrsministerium übergeben und auf ihren Homepages hochgeladen. Gewichtiger ist für Pro Bahn und NEE aber, dass die Gutachter und BMVI alle Ziele aus den Augen verloren haben. Mit dem Programm sollte die „Resilienz“ des Netzes bei Störfällen gestärkt werden.

Damit stand nicht einmal der potenzielle Zusatzverkehr auf elektrifizierten Strecken im Vordergrund, was von den Güterbahnen schon mit Kopfschütteln begleitet wurde. Denn Elektrifizierung senkt die Kosten der Güterbahnen deutlich und macht sie so wettbewerbsfähiger zum LKW. Das BMVI wollte neu elektrifizierte Strecken für potenzielle Umleitungen im Stör- und Baustellenfall nutzen können. Kerkeling: „Das ist durchaus auch ein lohnenswertes Ziel, wie das Fehlen leistungsfähiger Umleitungstrecken nach der Havarie des Rastatter Tunnels 2017 gezeigt hat.“

„Mehr Ehrgeiz“ fordert man auch bei der Allianz pro Schiene. Beratungen seien begrüßenswert, „wirklich weiterhelfen aber nur konkrete und verbindliche Beschlüsse“, so Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege. Flege sprach sich dafür aus, dass der Bund sich das Elektrifizierungs-Ziel der acht Bahnverbände von 75 Prozent bis zum Jahr 2030 zu eigen macht. Derzeit strebt die Bundesregierung lediglich siebzig Prozent bis 2025 an. „Beide Ziele gehen Hand in Hand und schaffen die dringend benötigte Verbindlichkeit beim Infrastrukturausbau.“

Dazu präsentierte die Allianz pro Schiene eine bundesweite Elektrifizierungskarte. Diese zeigt Strecken, mit deren Elektrifizierung Deutschland das 75-Prozent-Ziel in diesem Jahrzehnt erreichen kann. Derzeit sind rund 61 Prozent der Strecken im bundeseigenen Schienennetz mit Oberleitungen ausgestattet. Die Vorschläge der Allianz pro Schiene reichen von Itzehoe – Westerland im Norden bis Erzingen – Basel im Süden und von Langerwehe – Herzogenrath im Westen bis Berlin-Lichtenberg – Küstrin-Kietz im Osten.

Diese Verbindungen ergänzen Neu- und Ausbauprojekte, die beispielsweise im Bundesverkehrswegeplan oder im Investitionsgesetz Kohleregionen ohnehin schon für eine Elektrifizierung vorgesehen sind. „Auf der Schiene arbeiten Elektro-Antriebe am effektivsten und leisten den größten Beitrag zu mehr Klimaschutz im Verkehr“, so Dirk Flege weiter. „Daher muss der Bund beim Ausbau der E-Mobilität auf der Schiene ab sofort zwei Gänge hochschalten, um den Verkehrsträger Eisenbahn attraktiver und wirtschaftlicher werden zu lassen.

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