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Ohne den Nutzer kein Geld für Bus und Bahn

16.07.20 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Während der Hochzeit der Corona-Phase Anfang 2020 mussten Bussen und Bahnen weiterlaufen – so wie Apotheken, Lebensmittelgeschäfte und viele andere Dinge, ohne die unsere Gesellschaft nicht funktioniert. Und wenn mal eben achtzig bis neunzig Prozent der Fahrgäste und entsprechend die Fahrgelderträge wegbrechen, dann kann man nicht einfach auch die Kosten sparen. Man kann einen Krisenfahrplan einführen, aber diejenige, die nicht einfach von Zuhause aus arbeiten können, müssen auch weiter im Berufsverkehr fahren.

Die Früh- und Spätspitzen bleiben also. Dazu kommen die Fixkosten: Busse und Bahnen stehen weiter herum und müssen bezahlt werden und man kann die Belegschaft nicht so ohne weiteres in Kurzarbeit schicken, zumindest nicht in der Zahl, in der man es machen müsste, um tatsächlich die Kosten zu sparen. Manch ein Unternehmen hat auf Kurzarbeit gesetzt, andere konnten endlich von ihren Überstunden runterkommen, denn der Personalbedarf ist unabhängig von der akuten Kurzarbeit-Situation erheblich bei Bussen und Bahnen, auch weiterhin.

Im Gegenteil: Die jetzt eingebrochene Konjunktur war in der gesamte Branche langfristig fest eingeplant, weil man den Personalbedarf anders gar nicht decken kann. Das gilt bei den Stuttgarter Straßenbahnen umso mehr, weil es in dieser Region natürlich Industriebetriebe gibt, die wesentlich bessere Löhne zahlen, sodass man sich als Nahverkehrsunternehmen besonders gut aufstellen muss, um seine Leute zu finden.

Hier stehen Busse und Bahnen symbolisch auch ein Stück weit für die gesamte Wirtschaft, hier müssen Staatshilfen her. Staatshilfen für Staatsunternehmen, kann es soweit überhaupt geben oder findet hier eine subventionsdurstige Branche nur einen Vorwand, um noch mehr Geld aus der öffentlichen Kasse zu beanspruchen? Hier sieht man, wie wichtig die Nutzer sind, wie die Endkunden in der Eisenbahn- und ÖPNV-Branche üblicherweise genannt werden.

Denn wenn diese wegbrechen, dann fehlt auf einmal richtig viel Geld in der Kasse. Der hohe Kostendeckungsgrad, auf den man so stolz ist und auch stolz sein kann, hat dazu geführt, dass der Nutzer nicht mehr nur ein Beförderungsfall ist, sondern auch einen nicht geringen Teil des Geldes in die Kasse spült, mit dem man dann die Gesamtveranstaltung am Laufen hält.

Wenn man also eine Lehre aus Corona zieht, dann dass sich die Relevanz des Endkunden deutlich geändert hat. In der Mentalität zumindest eines Teils der Branche geht man immer noch davon aus, dass der Nutzer und seine Zufriedenheit ein irrelevanter Faktor ist. Viel zu viele Akteure sehen alles nach wie vor als reines Business-to-Business-Geschäft und der Kunde ist dann eben der Aufgabenträger – in dem Fall die Stadt Stuttgart.

Doch was ist, wenn der Endkunde tatsächlich wegbleibt? Wenn er merkt, dass man ja doch ganz gut mit dem Auto fahren kann oder was auch immer? Busse und Bahnen dürfen sich nicht auf die Captive Rider konzentrieren, sondern müssen ihren Fahrgästen etwas bieten. Sonst stimmen die bald mit dem Auto ab.

Siehe auch: SSB AG legt Jahresabschluss 2019 vor

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