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Probleme lösen und Diskussionen verschieben

02.04.20 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Dass in einer Krise, wie es sie seit 1945 nicht mehr gab, alle enger zusammenrücken müssen, ist im Grunde trivial. Wir wissen weder, wann wir mit einer Besserung der Lage rechnen können, noch ob ein mögliches Licht am Ende des Tunnels nicht doch ein entgegenkommender Zug ist. Es ist doch herrlich, wie sehr die Eisenbahnmetaphern Einzug in den allgemeinen Sprachgebrauch gehalten haben.

Wenn Container aus Übersee am Hamburger Hafen entladen werden, muss man aufgrund der Corona-Problematik womöglich andere Arbeitsschritte machen als noch vor ein paar Monaten. Man macht selbst innerhalb des Schengen-Raumes Grenzkontrollen, muss aber dennoch gewährleisten, dass die Artikel des täglichen Bedarfs (Ja, auch trockene Nudeln und Toilettenpapier) rechtzeitig in den Läden eintrudeln

Aus solchen Gründen bewirbt DB Cargo ja jetzt auch den Pastaexpress und die Schiene kann sich womöglich besser aufstellen und robust durch die Krise kommen. Dennoch heißt Krise nicht, dass es die geeignete Zeit ist, um grundlegende politische Debatten zu führen. Wir alle wissen, dass die EVG noch immer ein gestörtes Verhältnis zum Wettbewerb auf der Schiene hat.

Als einzige Eisenbahnergewerkschaft der Welt unterstützte man damals die Privatisierungspläne unter Kanzler Schröder und Bahnchef Mehdorn, immer mit der Begründung, dass nur so der integrierte Konzern erhalten bleiben könne. Inzwischen redet ja kaum noch jemand von einer Trennung von Netz und Betrieb – aber nicht, weil der integrierte Konzern so gut ist, sondern weil sich die Beziehungen zwischen Wettbewerbern und den Konzerngesellschaften verbessert haben.

Für DB Netz sind Abellio oder die Eurobahn genauso gern gesehene Kunden wie DB Regio, man freut sich über zusätzliche Aufträge von Captrain ebenso wie bei DB Cargo. Wenn eine Wettbewerbsbahn gute Leistungen bringt und durch höhere Nachfrage Leistungsausweitungen zustandegekommen, dann ist das für die Infrastruktursparten der DB AG und damit für den Gesamtkonzern ein Gewinn.

Diese Erkenntnis war vor einigen Jahren längst noch nicht so ausgeprägt wie sie sein sollte. Doch in der jetzigen Situation spielt es erstmal keine Rolle, welche Güterbahn tonnenweise Barilla-Nudeln über den Brenner nach Deutschland fährt, solange das Rad überhaupt rollt. Herr Westphal hat ja durchaus recht, wenn er eine fehlende eisenbahnpolitische Ausrichtung des Bundes insgesamt bemängelt.

Eines der Probleme ist, dass die Eisenbahnpolitik im Land nicht selten durch die Unternehmenspolitik der DB AG definiert wurde und hier müssen sich Bundeskanzleramt und Bundesverkehrsministerium aktiv einschalten. Gleichzeitig wären die Wettbewerberverbände am Zug, aus ihrer Sicht die Eisenbahn der Zukunft und den Weg dorthin darzulegen.

Eins jedoch sollten alle tunlichst vermeiden: In der aktuellen Situation aus purer Profilneurose Themen aufmachen, für die jetzt definitiv keine Zeit ist. Im Gegenteil: In den kommenden Wochen kann man vielleicht keine Gräben zuschütten, aber man kann Konflikte Ruhen lassen und sollte das auch tun.

Siehe auch: Branche legt Charta zur Corona-Krise vor

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