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Mit dem Hersteller langfristig im Boot sitzen

05.06.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Na sieh mal einer an: In Duisburg wird die Schienenflotte erneuert und das kommunale Verkehrsunternehmen verpflichtet die Hersteller für 45 Jahre, die Ersatzteile zu liefern und die Instandhaltung durchzuführen. Dieser Vertrag geht bis etwa ins Jahr 2070. Wer 2005 geboren wurde und jetzt in der Ausbildung steckt, wird dann in etwa in den Ruhestand eintreten – eine größere Arbeitsplatzsicherheit kann es gar nicht geben.

Es ist aber auch aus anderer Sicht interessant: Angeblich war es doch jahrelang Branchenkonsens, dass Herstellerwartung zu unzuverlässigeren Fahrzeugen führen soll, zu prekären Arbeitsverhältnissen und zu unklaren Zuständigkeiten, an dessen Ende der Nutzer regelmäßig am Bahnsteig stehe, weil der Zug nicht kommt.

Es wurden Szenarien entworfen, bei denen Züge über Wochen und Monate zu Beweissicherungszwecken auf dem Abstellgleis stehen und nicht in den Betrieb zurückkommen, weil das Verkehrs- und das Instandhaltungsunternehmen sich wegen eines Einzelschadens vor Gericht herumstreiten. Offensichtlich sieht man das in Duisburg anders und möchte gerade nicht auf die Expertise des Herstellers verzichten.

Denn die Vorteile sind ja bekannt: Es gibt einen Unterschied, ob der Hersteller nach dem Ablauf der relativ kurzen Gewährleistungsfrist ein Interesse daran hat, Beratungsleistungen und Ersatzteile zu verkaufen oder ob er selbst für die Funktionalität seiner Züge verantwortlich ist. Wenn man sich einmal die ebenfalls im VRR verortete Wuppertaler Schwebebahn ansieht, wo ein kommunales Unternehmen ganz augenscheinlich mit dem Betrieb einer relativ primitiven Hängebahn komplett überfordert zu sein scheint, da ist es schon naheliegend, wenn man im benachbarten Duisburg eine solche Situation verhindern und den Hersteller langfristig in die Pflicht nehmen möchte.

Dabei dürfte es ja völlig normal sein, dass hier auch das Bestandspersonal der DVG an der Instandhaltung beteiligt ist. Es geht nämlich gar nicht darum, Mitarbeiter auszulagern oder deren Arbeitsverhältnisse zu prekarisieren, sondern klare Verantwortungen festzuschreiben. Wir sehen: Herstellerwartung funktioniert offensichtlich auch im kommunalen ÖPNV. Dabei spielen natürlich auch die Interessen der Fahrzeugindustrie eine Rolle. Seit etwa zehn Jahren wissen wir, dass die im Bereich des Neufahrzeuggeschäfts zwar ein relativ konstantes Marktvolumen haben, aber kaum Wachstumspotential.

Das sieht anders aus im Bereich des After-Sales, also allem was man verdienen kann, wenn die Fahrzeuge verkauft worden sind. Der Auftrag wird also deutlich lukrativer für so einen Hersteller als wenn er nach der Auslieferung der Züge endet – denn der Verkauf von Ersatzteilen oder Beratungsleistungen ist ja nichts, worauf man sich verlassen und womit man kalkulieren kann. Wir sehen aber jenseits von Debatten über Besitzstandswahrungen, dass der Hersteller sehr wohl auch die Instandhaltung der Züge vollbringen kann und dass eine gute Zusammenarbeit aller Parteien am Ende ein gutes Produkt auf die Schiene stellen wird.

Siehe auch: DVG AG legt Jahresbilanz 2022 vor
Foto: Duisburger Verkehrsgesellschaft AG

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