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Netzbeirat: Mehr Schienenverkehr für die Verkehrswende

20.02.23 (Fernverkehr, Güterverkehr, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Anfang des Jahres 2023 hat der Netzbeirat der DB Netz AG seine Stellungnahme zum Geschäftsplan 2022/23 der DB Netz AG übergeben. Entsprechend seines Auftrags, sich für „optimale und effiziente Nutzung und Bereitstellung und Entwicklung der Infrastruktur“ aus Marktsicht einzusetzen, erfolgte diese Stellungnahme letzte Woche. Der Vorsitzende des Gremiums Norbert Reinkober (Geschäftsführer des Aufgabenträgers go.Rheinland im Großraum Köln, Bonn und Aachen) weist darauf hin, dass das politische und gesellschaftliche Umfeld sehr günstig ist, Akzente für mehr Schienenverkehr zu setzen.

„Erfolgsentscheidend ist dabei jedoch aus Sicht des Netzbeirates, zu deutlich schnelleren und wirksamen Lösungen zu kommen“, so Reinkober. Beispielsweise benötigen die schon heute kritische Netzauslastung und die drängende Notwendigkeit einer erst noch zu realisierenden Verkehrswende auch sehr kurzfristig wirkende, dispositive Entscheidungen der Verantwortlichen, z.B. zu Netznutzung und betrieblichen Konzepten.

Mit Nachdruck sollten Themen wie der Ausbau und die Elektrifizierung weiterer Strecken, die Reaktivierung von Strecken für den Personen- und für den Güterverkehr sowie die Beseitigung von Engpässen im Netz vorangetrieben werden. Auf kapazitätsreduzierende Maßnahmen wie den Abbau von Strecken, Weichen und Kreuzungen sowie von Abstell- und Serviceeinrichtungen sollte verzichtet werden. Die genannten Themen tragen dazu bei, die Umweltfreundlichkeit der „Schiene“ zu verbessern, ihren Betrieb effizienter zu gestalten und bei Kunden als attraktiveres Produkt wahrgenommen zu werden.

Die Engpassbeseitigung bei Strecken und in Knoten sowie weitere Kapazitäten bei Personenbahnhöfen und Netzzugangsstellen wie zum Beispiel Gleisanschlüsse, Ladegleise oder Terminals für den Güterverkehr zählen nach Ansicht des Netzbeirats zu den dringendsten Aufgaben. Nur wenn dies innerhalb kurzer Zeit gelingt, entstehen zeitnah dringend benötigte weitere Kapazitäten für „mehr Schiene“, erst danach kann eine Verkehrswende tatsächlich konkret Gestalt annehmen.

Gegebenenfalls ist es sinnvoll, temporär an bestimmten Engpassstellen die Zuggeschwindigkeiten zu harmonisieren, um damit auf dispositivem Wege zeitnah Kapazität zu gewinnen. Die regelmäßig vom Eisenbahnbundesamt veröffentlichten und von DB Netz erstellten Infrastrukturzustandsberichte zeigen auf, dass die Alterung der Schienenwege bisher nicht gestoppt werden konnte. Diese Entwicklung führt teilweise zu einer Verschlechterung in den Netzzustandskategorien in kritischen Gewerken bei gleichzeitig steigenden Störgeschehen.

Der Netzbeirat regt in der Diskussion einer zielgerichteten Steuerung entlang relevanter Indikatoren an sowie die Einführung einer umfassenden Zustandsbewertung (Alter, Störgeschehen, Schadensbild) nach Schweizer Vorbild für alle Gewerke als Grundlage zur Umsetzung zustandsverbessender Maßnahmen. Deutschland braucht für die Verkehrswende den Aufbau eines möglichst engmaschigen, flächendeckenden Netzes von Strecken, Personenbahnhöfen und Zugangsstellen für den Personen- und Güterverkehr. Der Netzbeirat spricht sich dafür aus, dass eine Mitnutzung reaktivierter Strecken durch den Güterverkehr von Bund und Infrastrukturbetreiber ermöglicht wird; entsprechende Randbedingungen dafür sind zeitnah herzustellen.

In Kombination mit gegebenenfalls geförderten Gleisanschlüssen muss auch auf der Schiene möglichst flächendeckend die „letzte Meile“ möglich werden. Mit der Netzkonzeption 2030 gelang ein erster Aufschlag, um für wachsende Verkehrsmärkte neue Angebote zu schaffen. Nicht zuletzt mit Blick auf die Kapazitäts- und Qualitätsprobleme stellt der Netzbeirat fest, dass auch 2030 hochwertige Trassen nicht ausreichend vorhanden sein werden. Eine Netzkonzeption 2040 sollte hierauf reagieren und u.a. die dort genannten Wachstumsziele nach oben korrigieren bzw. neue Ziele wie „mehr Zugangsstellen“ aufnehmen.

Ohne ein bereits zum Bedarfszeitpunkt aufnahmefähiges Netz wird es keine Verkehrswende geben, entsprechende kurzfristige dispositive und eher langfristige investive Vorbereitungen müssen bis dahin abgeschlossen sein. Die Kapazitätsengpässe im Netz, bedingt durch vermehrte Trassennachfrage und intensivierte Instandhaltung, ist Anlass zu großer Besorgnis. Der Aussage von DB Netz ist zuzustimmen, dass man mit „gewachsenen Prozessen und Strukturen im Fahrplan und Kapazitätsmanagement“ nicht weiterkommt.

Siehe auch: Die Schiene muss ihre Potentiale nutzen

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