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Die Schiene muss ihre Potentiale nutzen

20.02.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Zunächst einmal zeigt sich erneut, wie wichtig die Einrichtung des Netzbeirates war, um sicherzustellen, dass bei der künftigen Debatte um die Infrastrukturpolitik die DB AG nicht allein tonangebend ist. Natürlich braucht man mehr: So müssten eigentlich die Aufgabenträger und auch die Güter- und Regionalverkehrsbahnen im Aufsichtsrat der DB Netz vertreten sein – weil sie nicht nur wichtige Kunden des Unternehmens sind, sondern weil sie die maßgeblichen Nutzer sind.

Dabei braucht man darüber hinaus auch ganz allgemein wieder eine eisenbahnfreundlichere Stimmung. Natürlich versprechen Politiker in Sonntagsreden immer wieder alles mögliche, aber bei der konkreten Umsetzung hakt es dann. Nehmen wir das einfache Beispiel Streckenreaktivierungen: Ja, man hat durch die Veränderung der Berechnungsgrundlage der Kosten-Nutzen-Koeffizienten etwas für die Schiene getan.

Aber noch immer wird bei einer solchen Strecke zwar mit den vollen Kosten kalkuliert, wenn allerdings so eine Reaktivierung ein reines SPNV-Projekt ist, dann wird der mögliche Nutzen durch (geringfügigen) Güterverkehr komplett außen vor gelassen. Das ist ein fataler Fehler, denn schon drei oder vier Güterzugfahrten in der Woche können in manchen Orten für eine erhebliche Entlastung vom Schwerlastverkehr sorgen.

Dabei gibt es natürlich Interessenkonflikte zwischen Güter- und Personenverkehr und das wird sich auch nicht ändern, denn eine vollständige Entmischung der Verkehre ist in Deutschland auf Dauer unrealistisch. Nur wenn wir uns dann ansehen, woran die Eisenbahn im Moment besonders krankt, dann stellen wir fest, dass es auch jede Menge gemeinsame Interessen gibt. Ganz aktuell geht es hier um die regelmäßigen Streckensperrungen, die DB Netz verursacht, weil man es nicht schafft, ausreichend Personal für die Stellwerke zu akquirieren.

Wenn das in den Nachtstunden passiert, betrifft es vornehmlich den Güterverkehr, weil dieser auf besondere Art und Weise auf die wenigen Stunden angewiesen ist, in denen er nicht von Personenzügen aufgehalten wird. Auf der anderen Seite hat man den nachts nicht mehr stattfindenden Güterverkehr dann aber doch in den Tagesstunden und der Stau auf der Schiene dramatisiert sich weiter.

Außerdem wissen wir nicht, wann der Punkt kommt, an dem auch tagsüber Stellwerke außer Betrieb gehen, weil keine Fahrdienstleiter mehr da sind. In Ratingen und Mönchengladbach hatte man im Januar solche Sperrungen tagsüber, zum Glück am Wochenende. Wenn aber in der Woche im morgendlichen Berufsverkehr plötzlich nichts mehr geht, hätte die aktuelle Eisenbahnkrise Auswirkungen, die es bislang noch nicht gab.

Hier ist natürlich die weitere Digitalisierung wichtig, weil man den Personalmangel auch in Teilen damit löst, indem man weniger Personal braucht. Nur bei allen Konzepten für die Zukunft darf auch ein Gremium wie der Netzbeirat diese tagesaktuelle Problematik nicht übersehen. Wir stecken in der Gegenwart in einer schweren Eisenbahnkrise, die wir auch nicht kurzfristig gelöst kriegen. Das ist leider so.

Siehe auch: Netzbeirat: Mehr Schienenverkehr für die Verkehrswende
Foto: Deutsche Bahn AG / Wofgang Klee

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