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Keine atypische Beschäftigung schaffen

04.05.17 (Baden-Württemberg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Vor einiger Zeit hat sich VDV-Präsident Jürgen Fenske, fast ist man versucht es so zu formulieren, verplappert. In einer Stellungnahme des Verbandes zur Arbeitsmarktintegration junger Asylberechtigter hieß es, dass das Engagement der Branche bis hin zu regulären Arbeitsverhältnissen reichen kann. Auch wenn die Kölner Verkehrsbetriebe, deren Vorstandsvorsitzender Fenske im Hauptberuf ist, mit positivem Beispiel vorangehen, ist mit so einer Formulierung doch fast schon alles gesagt: Das reguläre, unbefristete, sozialversicherungspflichtige Angestelltenverhältnis wird zur Ausnahme.

Statt dessen lässt man sich in der ÖV-Branche Asylbewerber schicken, die wahrscheinlich vor dem ersten Praktikumstag schon eine umfassende Vorauswahl hinter sich haben. Natürlich ist es verständlich, wenn die Unternehmen argumentieren, dass sie die Leute zuerst kennenlernen möchten, die dann später ihre Angestellten werden sollen. Klar.

Wer oft ohne Ausweisdokumente ins Land gereist ist und darüber hinaus nicht nachweisen kann, dass er in Aleppo, Damaskus, Bagdad oder wo auch immer früher als Busfahrer gearbeitet hat, der ist in der Tat etwas anderes als ein europäischer Bewerber mit FiF-Ausbildung. Trotzdem muss es die Regel sein, dass im Anschluss an ein mehrmonatiges Praktikum, das zudem oft gar nicht oder nur symbolisch bezahlt wird, der Einstieg in eine Ausbildung oder eine Berufstätigkeit erfolgt.

So wie es z.B. bei der Deutschen Bahn mit dem Programm Chance Plus die Regel ist: Wer das zwölf Monate durchhält, der hat es damit in den Konzern geschafft. Nicht jeder gleich in eine Ausbildung, es gibt auch genügend berufliche Tätigkeiten im Konzern, für die man keine mehrjährige Qualifikation erwerben muss. Dennoch: Sich dafür zu rühmen, dass man „Praktikumsplätze bereitstellt“, weil man die Leute ja „integrieren“ will, reicht nicht.

Es ist unbedingt notwendig, sich in diesem Zusammenhang zu verdeutlichen, was ein solcher Praktikant ist: Eine billige oder gar kostenlose Arbeitskraft. Wenn in privaten Unternehmen in der freien Wirtschaft solche Praktikantenstellen überhand nehmen oder wenn die Chancen für die Praktikanten auf Übernahme in ein reguläres Arbeits- oder Ausbildungsverhältnis sehr gering sind, dann schlagen Betriebsräte und Gewerkschaften Alarm – zurecht!

In den Nullerjahren ist durch einige durchaus gut gemeinte Arbeitsmarktreformen der rot-grünen Bundesregierung der Effekt entstanden, dass Schulabsolventen sich von einem Praktikum zum anderen Hangeln. Maßnahme für Maßnahme statt Ausbildung. Hintergrund war, dass viele Unternehmen ihre Lehrstellenangebote zugunsten von Jahrespraktikanten zurückgefahren haben.

Das droht jetzt hier auch wieder und ein Unternehmen kann nicht allein deshalb von Kritik ausgenommen werden, weil es im Eigentum der öffentlichen Hand steht. Gerade diese, die an anderer Stelle immer behaupten oder suggerieren, besonders gemeinnützig zu sein, ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden. Sich Praktikanten ins Haus zu holen ist eben gerade nicht besonders sozial. Die Arbeitnehmervertreter sind in der Pflicht, sich für die Asylberechtigten einzusetzen!

Siehe auch: Karlsruhe: Praktikumsplätze für Asylberechtigte

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