Stuttgart 21: Stresstest offenbar indirekt durchgefallen
22.07.11 (Allgemein) Autor:Max Yang
Nach Meinung von Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hat Stuttgart 21 den Stresstest nicht bestanden. Würde man das 200-Seiten-Audit genau studieren, dann käme man zwangsläufig zu diesem Schluss. Strenggenommen ist beim Testat der Firma SMA nur die Note 2 herausgekommen und nicht die in der Schlichtung vereinbarte Note 1 (Im Schulnotenvergleich würde nur die Note 1 zur Versetzung führen). Unterdessen beschäftigten sich auch die Parkschützer und die neu gegründete Internetplattform „Auditplag“ mit dem vorliegenden Testat – mit teilweise überraschenden, aber auch erschütternden Erkenntnissen.
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Palmer gab an, dass der neue Tiefbahnhof die Anforderungen nicht erfüllen würde, da er zur Unpünktlichkeit neigen würde und Verspätungen nicht aufgefangen werden könnten. Deshalb sei das Ziel verfehlt und die Bahn in der Nachbesserungspflicht. Wie auch im Audit empfohlen besteht er auf einen neuen Stresstest mit neuen Kriterien. Er warf der Bahn erneut Schönrechnerei vor, die Kosten würden eine bis zwei Milliarden höher sein als angegeben.
Zunächst einmal muss darauf hingewiesen werden, dass das SMA-Audit kein Stresstest, sondern eine Beurteilung der Fahrplangestaltung und Ablaufplanung der DB hinsichtlich Stuttgart 21 ist. Es ist nur ein Audit und strenggenommen nichtmal ein Gutachten und weist auch auf die noch nicht rechtmäßigen oder genehmigten Teile der DB-Planung hin. Deshalb ist auch die gestrige massenhafte Verbreitung der Medien mit „Stuttgart 21 hat Stresstest bestanden“ als Schlagzeile zumindest kritisch zu sehen.
Bei der Untersuchung des Audits kamen bisher folgende Details heraus:
- Auf Seite 13 wurde die Betriebsqualität des geplanten Tiefbahnhofs in eine „wirtschaftlich optimale Betriebsqualität“ eingeordnet. In der Schlichtung wurde am Ende eine „gute Betriebsqualität“ gefordert. Das bedeutet, dass Verspätungen abgebaut werden können. In der Bahnrichtlinie (Ril) 405 wurde dieser Begriff bis Ende 2007 geführt und mit dem Prädikat „gut“ versehen. Seit 2008 ist „verspätungsabbauend“ gemäß Ril 405 unter die Bezeichnung „Premiumqualität“ eingeordnet worden und es entstand der Begriff „wirtschaftlich optimal“, das in der Skala „befriedigend“ eingeordnet wurde und keinen Abbau von Verspätungen, sondern nur eine Begrenzung vom Verspätungsaufbau definiert. Die Bahn behauptet anhand des Stresstests, dass „gute“ gleichzusetzen ist mit „optimaler“ Betriebsqualität“. Jedoch gibt es die Begriffe „sehr gute“ und „optimale“ Betriebsqualität weder in der alten noch in der neuen Ril 405.
In der Prämisse wurde angenommen, dass die einfahrenden Züge keine oder nur sehr geringe Verspätung haben werden, was an der Realität eher vorbeigeht. Damit hätte die Bahn quasi nur einen „Schönwettertest“ bestanden. - Auf Seite 67 wurde die Differenz zwischen Haltezeit und Mindesthaltezeit dem Verspätungsabbau zugerechnet und damit als Reservezeit eines Zuges definiert.
- Seite 135: Wie bisher bekannt sollen Fern- und Regionalzüge im alten Flughafenbahnhof über Gleis 2 fahren, Gleis 1 ist der S-Bahn vorbehalten. In der Simulation wurde jedoch die freizügige Nutzung beider Gleise für alle Züge unterstellt und auch mit jedem dritten Simulationslauf so durchgeführt. Allerdings sei hierfür eine Genehmigung erforderlich. Allerdings wird es aller Voraussicht nach diese Genehmigung wegen der unterschiedlichen Bahnsteighöhen niemals geben, da die S-Bahn mit 96cm Schienenoberkantenhöhe fährt und Regional- und Fernverkehrszüge mit Höhen zwischen 55 und 76cm. Hier wird ein Hauptengpass von Stuttgart 21 gesehen.
Im Bahnhof Kirchheim(Teck) ist von Nachbesserungen keine Rede. Allerdings soll gemäß Stresstestfahrplan die S1 bereits eine Minute nach Ankunft der S1 aus Richtung Stuttgart wieder zurückfahren, was realistischerweise nur über eine sogenannte „Überschlagende Wende“ geht, d.h. der Zug der Gegenrichtung steht bereits zur Abfahrt bereit, der angekommene Zug wartet dann bis zum nächsten Abfahrtstakt. Dafür braucht man allerdings zwei Bahnsteiggleise. Es existiert zwar neben dem aktuell genutzten S-Bahn-Gleis und dem Stumpfgleis für die Teckbahn ein weiteres, allerdings ist er niedriger und hinsichtlich nicht vorhandener Aufzüge nicht barrierefrei zugänglich sowie ohne vorhandenem Fahrkartenautomat. Derzeit wird er nur in Ausnahmefällen oder bei Sonderfahrten genutzt; es wären also Umbauten erforderlich, die bisher nicht im S21-Budget eingepreist sind. - Gemäß Seite 143 wurden sogenannte „schwere Störfälle“ nicht berücksichtigt. Also quasi wie bei den „Bankenstresstests“ ein Test ohne Stress.
- Seite 199 besagt wörtlich: „Mit Umsetzung aller geforderten, aber nun noch nicht eingeflossenen Nachbesserungen, ist zwar eine weitere Verschlechterung der Betriebsqualität zu erwarten […]“. Das bedeutet de facto, dass die 49 Züge pro Stunde nur bei schlechter Betriebsqualität und so lange die von Geißler geforderten Nachbesserungen nicht in das Modell einfließen, möglich sind.
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