Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Mofair fordert Verhandlungen auf Augenhöhe

18.03.24 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Arbeitskampfmaßnahmen der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer halten Deutschland weiter in Atem. Dass „die Eisenbahn kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr“ ist (GDL-Chef Weselsky) schadet der Gesamtbranche und der Klimawende im Verkehr. Der Wettbewerberverband Mofair fordert von den Aufgabenträgern einen anderen Umgang mit Streiks in den Verkehrsverträgen. Eisenbahnverkehrsunternehme des SPNV müssen Arbeitskämpfe auch tatsächlich führen können.

Die Bundespolitik ist aufgefordert, das Streikrecht zu konkretisieren und ein verkehrliches Grundangebot auch während der Streiks abzusichern. Für die Infrastruktur muss es Notdienstanordnungen geben. Mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann: „Unsere Mitgliedsunternehmen haben zurzeit nur die Wahl zwischen zwei Übeln: Entweder ein schädliches Tarifdiktat der Gewerkschaft akzeptieren oder massive Entgeltkürzungen der Aufgabenträger für jeden Streiktag hinnehmen. Sie werden so zerrieben. Dabei darf es nicht bleiben.“

Viele Wettbewerbsbahnen haben seit Spätherbst 2023 einen Tarifvertrag mit der GDL abgeschlossen. Teilweise kam es auf dem Weg dahin zu Arbeitsniederlegungen. Letztlich hat die GDL jeweils ihre wesentlichen Forderungen durchsetzen können: Erhebliche Entgeltsteigerungen und vor allem einen schrittweisen Übergang zur 35-Stunden-Woche. Die Unternehmen, mit denen die GDL Abschlüsse erzielt hat, sind weit überwiegend im SPNV aktiv.

Sie können ihre Leistung, anders als im Güter- oder im Fernverkehr nicht von sich aus flexibler gestalten. Sie sind durch die Verkehrsverträge verpflichtet, eine bestimmte Leistungsmenge zu erbringen. Jede Fahrt, die nicht stattfindet, wird durch den Aufgabenträger nicht vergütet. In vielen Fällen erhebt der Aufgabenträger darüber hinaus noch eine Strafzahlung. Sparen kann das Unternehmen kaum etwas; fast alle Kosten laufen weiter. Jeder Streiktag bedeutet für die bestreikten Unternehmen massive wirtschaftliche Schäden, die sie nur wenige Tage tragen können.

SPNV-EVU sind eingezwängt zwischen der, angesichts des akuten und chronischen Fachkräftemangels, enorm hohen Marktmacht der GDL einerseits und der fehlenden Unterstützung der Aufgabenträger andererseits. Diese pochen auf die strikte Einhaltung der Verträge, ohne die Ausnahmesituation des Streiks angemessen zu würdigen. Das gilt grundsätzlich auch für die DB Regio, die Regionalverkehrstochter der DB AG. Innerhalb der DB aber gibt es daneben noch den Fern- und den Güterverkehr, die als eigenwirtschaftliche Verkehre flexibler reagieren: Bei ihnen gibt es keine Aufgabenträger, die Entgelte kürzen.

Angesichts des erheblichen Fachkräftemangels sind sich EVU und Gewerkschaften einig, dass die Eisenbahnberufe noch attraktiver werden müssen. Allerdings: Eine Reduktion der Regelarbeitszeit auf 35 Stunden, zumal innerhalb von nur drei Jahren, ist für Mofair „erkennbar der falsche Weg.“ Sie würde den vorhandenen Mangel kurz- und mittelfristig drastisch verschärfen. Weiter heißt es: „Dass sich allein ihretwegen ausreichend mehr Menschen für Eisenbahnberufe interessieren, ist eine reine Hoffnung, deren Erfüllung extrem unwahrscheinlich ist – zumal die notwendigen Ausbildungskosten pro Triebfahrzeugführer derzeit nicht von den Aufgabenträgern im SPNV kofinanziert werden.

Das Streikrecht ist ein hohes Gut mit Grundgesetzrang. Es sollte jedoch laut Mofair genauer gefasst werden: Wie in anderen EU-Staaten (Italien etc.) sollte künftig ein gewisses, genauer zu definierendes, verkehrliches Grundangebot abgesichert werden. Dann brächte ein Streik zwar Unannehmlichkeiten für die Fahrgäste (wäre also nicht wirkungslos), würde aber das einseitige, nicht sanktionsfähige Druckpotenzial der Gewerkschaft senken und Tarifverhandlungen auf Augenhöhe ermöglichen. Auf jeden Fall wären solche Notdienstanordnungen bei der Infrastruktur vorzusehen.

Es muss künftig sichergestellt sein, dass kein in der Tarifauseinandersetzung völlig unbeteiligtes EVU erhebliche wirtschaftliche Nachteile erleidet. Das gilt etwa wenn ein Stellwerk der DB AG bestreikt wird, mit dem Verkehrsunternehmen jedoch Friedenspflicht besteht. Der Gesetzgeber ist ferner aufgefordert, den Sozialpartnern obligatorische Schlichtungsmechanismen in Sektoren der Daseinsvorsorge vorzugeben. Das hieße also, dass es nach gescheiterten zwingend ein Schlichtungsverfahren geben muss, bevor man dauerhafte Streiks auf dem Weg der Urabstimmung ermöglicht. Erst wenn diese scheitern könnte gestreikt werden.

Siehe auch: Aus der verfahrenen Situation rauskommen

Kommentare sind geschlossen.