Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Kapazitäten solide wieder aufbauen

29.06.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Als das Neun-Euro-Ticket auf dem Markt war, gab es bereits Diskussionen um eine Nachfolgeregelung und ich erinnere mich genau an eine Studie, die gesagt hat, dass mehr als zwanzig Euro im Monat unzumutbar teuer seien und finanzschwache Bürger im Sinne der Zweidrittelgesellschaft von der Mobilität ausschließe. Jetzt haben wir schwarz auf weiß: Nur sechs Prozent der befragten Personen geben an, dass sie auf das Deutschlandticket verzichten, weil ihnen die 49 Euro zu teuer sind.

Viel häufiger ist die Ursache des fehlenden Bedarfs oder des schlechten Angebots vor Ort. Wenn man jetzt über eine Sozialticket-Variante des Deutschlandtickets diskutiert, dann muss man sich fragen, ob das wirklich notwendig ist oder ob man hier nicht einfach nur eine neue Subventionsbaustelle aufmacht, die man nicht braucht. Ich bin der letzte, der Arbeitslose oder Geringverdiener diskriminieren möchte.

Aber wer keine Arbeit hat, der braucht auch kein bundesweit gültiges Monatsticket für den ÖPNV, sondern der braucht bestenfalls gute Lösungen, um an seinem Wohnort verlässlich zum Einkaufen oder zum Arzt zu kommen. Wir sehen auch, dass das Deutschlandticket vor allem geeignet ist, Berufspendler erheblich finanziell zu entlasten. Wer jeden Tag von Wuppertal nach Köln oder von Bonn nach Düsseldorf zur Arbeit fährt, der spart mal locker bis zu 200 Euro im Monat.

Wir alle wissen, wie stark eine Bruttolohnerhöhung ausfallen muss, damit jemand 200 Euro netto mehr in der Tasche hat. Hier ist also eine effektive und erhebliche Entlastung für diejenigen gelungen, die jeden Tag hart für ihr Geld arbeiten und diese Gesellschaft tragen. Natürlich sorgen steigende Fahrgastzahlen auch dafür, dass das Angebot ausgebaut werden muss. Das ist aber keine Erkenntnis, die sich aus dem neuen Deutschlandticket ableitet, sondern das wissen wir schon länger.

Gleichzeitig haben wir aber eine Situation, in der nicht die fehlenden Regionalisierungsgelder dafür sorgen, dass keine Züge mehr fahren, sondern es sind die Ressourcen: Es fehlen Fahrdienstleiter und Lokomotivführer, wir befinden uns am Anfang einer massiven Verrentungswelle und seit einigen Jahren gibt es einen Trend zu Tarifverträgen, die auf verstärkte Freizeitausgleiche setzen. Überstunden werden nicht mehr bezahlt oder auf ein Lebensarbeitszeitkonto eingezahlt, sondern kurzfristig mit Freizeitausgleichen kompensiert. Die optionale Regelung für 42 Urlaubstage im Jahr sorgt weiterhin für eine angespannte Situation in den Unternehmen.

Formal finanzieren die Leute ihre Freizeit selbst, weil sie die zwölf zusätzlichen Urlaubstage mit Gehaltsverzicht erreichen, auf der anderen Seite würden die Unternehmen oftmals lieber zwischen dreißig und hundert Überstunden im Monat bezahlen – auch gut bezahlen, gar keine Frage. Dennoch haben sich die Verhältnisse hier erheblich verändert und dieser neuen Situation muss man sich annehmen. Die Lösung der Eisenbahnkrise in Deutschland ist jedenfalls nicht über Nacht möglich, sondern wird uns über Jahre sehr intensiv beschäftigen.

Siehe auch: VDV fordert erheblichen Angebotsausbau
Foto: Deutsche Bahn AG / Dominic Dupont

Kommentare sind geschlossen.