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Regionalisierungsgelder: Warum eine Erhöhung unstatthaft wäre

06.08.12 (Kommentar, Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Längst hat man sich an die reflexartigen Forderungen der Schienenlobby nach „mehr Geld“ gewöhnt. Da gehört es fast zum guten Ton, eine saftige Erhöhung der Regionalisierungsgelder zu verlangen, nachdem diese 2007 angeblich gekürzt worden seien. Dabei ist allein die Behauptung, es habe eine einseitige Senkung gegeben, sachlich schlicht falsch.

Richtig ist: Im Rahmen der Subventionskürzungen nach Koch-Steinbrück hat die große Koalition die zweckgebundenen Zahlungen für den Nahverkehr an die Länder zum 1. Januar 2007 gekürzt. Diese waren damit einverstanden und haben im Gegenzug eine Überkompensation aus den Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuer-Erhöhung erhalten. Es gibt also jetzt mehr Geld aus der Bundeskasse an die Länder, allerdings können die damit machen, was sie wollen.

Die Länder können das Geld weiterhin für den ÖPNV verwenden. Sie können aber auch neue Beamtenposten für verdiente Genossen und Parteifreunde schaffen – die meisten Länder entschieden sich ohne Umschweife für letzteres. Das muss man akzeptieren, schließlich sind demokratisch legitimierte Mandatsträger am Werk. Inakzeptabel wird es aber erst, wenn dann trotzdem Forderungen an den Bund gestellt werden.

Eine neuerliche Erhöhung der Regionalisierungsgelder wäre nur dann haushaltspolitisch vertretbar, wenn die Länder im Gegenzug auf das Geld aus der Umsatzsteuer-Erhöhung verzichteten. Dass die das nicht tun werden, liegt auf der Hand. Doch unabhängig von der Debatte über die Steuersenkungspolitik insbesondere der sozialdemokratischen Finanzminister Steinbrück und Eichel geht es um Finanzierungsgerechtigkeit zwischen Bund und Ländern. Die Länder haben sich mit der Regelung von 2007 einverstanden erklärt und deshalb ist jedes Jammern an dieser Stelle unglaubwürdig und heuchlerisch.

Das trifft in ähnlicher Form auch für die horizontale Verteilung der Regionalisierungsgelder zu, also bei der Frage, welches Land wie viel Geld bekommt. Zwar hat die letzte rot-grüne Regierung in Nordrhein-Westfalen den Wettkampf nach dem Prinzip des lautesten Schreien ausgerufen, hier sind die Anteile bedarfsgerecht zu ermitteln und den jeweiligen Ländern zur Verfügung zu stellen. Das muss von unabhängigen Experten und Gutachtern erarbeitet werden – auch wenn lautes Schreien sicher eine der Kernkompetenzen des früheren nordrhein-westfälischen Verkehrsstaatssekretärs Horst Becker (Grüne) ist.

Aus diesem Grund sind Appelle an den Lokalpatriotismus („Wir müssen zusammenhalten, damit das Geld zu uns und nicht zu denen geht“) auch unangebracht. Der SPNV ist von bundesweiter Bedeutung und Verteilungskämpfe schaden allen. Das gilt sowohl zwischen den Ländern auf Bundesebene als auch zwischen den Aufgabenträgern innerhalb der Länder. Auch hier braucht es seriöse Berechnungen und keine Ich-Will-Haben-Mentalität.

Gleichzeitig gibt es aber nach wie vor das Problem, dass die Länder und ihre Aufgabenträger kein wirtschaftliches Eigeninteresse an seriösen Vergaben haben. Aus diesem Grund gab es vor zwei Jahren den Vorschlag, dass nur noch ein Sockelbetrag für die Länder fest kalkulierbar ist und der Rest nach dem Prinzip der ökonomischen Nachhaltigkeit vergeben wird. Ein Aufgabenträger, der durch erfolgreiche Wettbewerbsvergaben den Zuschussbedarf sinkt, soll mehr Geld erhalten als einer, der durch als Ausschreibung getarnte faktische Direktvergaben Geld verbrennt. Ob das politisch mehrheitsfähig ist, ist aber fraglich.

Statt dessen muss man sich die Frage stellen, ob die Regionalisierung nicht auch auf der finanziellen Seite fortgeschrieben werden sollte. Gegen eine einmalige Änderung des Verteilungsschlüssels der Steuereinnahmen zugunsten der Länder könnte diese selbst entscheiden, wie viel ihnen die Schiene wert ist. Statt krummer Lösungen wie im Moment sollte die Autonomie aber auch die Verantwortung der Länder gestärkt werden. Zumindest die gebetsmühlenartig wiederholten Forderungen im Stil von „der Bund muss uns die Infrastruktur schenken und dann den Betrieb bezahlen“ würden dann aufhören. Schienenaffine Verkehrspolitik könnte vor Ort gemacht werden – oder auch nicht. Leere Worte ließen sich leichter als solche erkennen.

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