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Niedersachsen: Warnung vor finanziellem Engpass

27.10.22 (Niedersachsen) Autor:Stefan Hennigfeld

Im Nachgang zur niedersächsischen Landtagswahl Mitte Oktober hat nun der Regionalverband Großraum Braunschweig die Problematik der ÖPNV-Finanzierung aufgebracht. Sehr wahrscheinlich wird es eine rot-grüne Landesregierung geben und diese müsse deutliche Verantwortung für das Thema übernehmen.

Detlef Tanke, Verbandsvorsitzender der Regionalverbandes: „Bisher gibt das Land hauptsächlich Mittel des Bundes weiter und überlässt erhebliche, steigende Kosten den Kommunen. Die neue Landesregierung muss nun stärker in die Finanzierung des Öffentlichen Personennahverkehrs einsteigen. Sonst müssen wir sehr bald das ÖPNV-Angebot zurückfahren. Das wäre ein herber Rückschlag für die Mobilitätswende.“

Diesen dringlichen Appell senden er und Verbandsdirektor Ralf Sygusch gemeinsam mit dem Verbandsrat des Regionalverbands (bestehend aus den Oberbürgermeistern der Städte Braunschweig, Salzgitter und Wolfsburg und den Landräten der Landkreise Gifhorn, Goslar, Helmstedt, Peine und Wolfenbüttel) an die sich konstituierende neue Landesregierung.

Vor allem brauchen die 19 Verkehrsunternehmen der Region kurzfristig finanzielle Hilfen, um die drastisch gestiegenen Treibstoff- und Personalkosten stemmen zu können. Der Regionalverband und die Kommunen können die Kosten der Verkehrsunternehmen nicht alleine tragen. Bereits jetzt wenden die Kommunen weit über hundert Millionen Euro pro Jahr für den ÖPNV in der Region auf. Insgesamt ist der ÖPNV unterfinanziert.

„Nach dem Neun-Euro-Ticket erwarten alle von uns mehr und besseren ÖPNV. Doch die derzeitigen Finanzmittel genügen nicht einmal, um den jetzigen Standard weiter zu finanzieren“, zeigt Gerhard Radeck (CDU), Landrat des Landkreises Helmstedt, auf, wie Anspruch und Realität derzeit auseinandergehen.

Bisher konnte der Regionalverband vorhandene Rücklagen nutzen. Die Kosten für den Betrieb, die Unterhaltung und den Ausbau des ÖPNV-Netzes steigen jedoch stetig. In den kommenden Jahren können der Regionalverband, seine Mitgliedskommunen und die Verkehrsunternehmen das Angebot so nicht aufrechterhalten. Die Kosten für die pandemiebedingten Einnahmeausfälle werden in diesem Jahr noch von Bund und Land übernommen. Eine Lösung für kommende Jahre gibt es bisher nicht.

„Es wird ständig über die Notwendigkeit der Mobilitätswende als Beitrag zum Klimaschutz geredet. Alle wissen, dass ein attraktiver ÖPNV dazu ein essenzieller Baustein ist. Die Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 ist von Ländern und Bundesregierung beschlossen worden. Nun ist es an der Zeit, dass auch das Land Niedersachsen entsprechende finanzielle Mittel bereitstellt“, fordert Thorsten Kornblum (SPD), Oberbürgermeister der Stadt Braunschweig. „Die erheblichen finanziellen Lasten der politisch gewünschten Mobilitätswende können nicht Kommunen, Aufgabenträger und Verkehrsunternehmen tragen. Alle Ebenen müssen ihren Beitrag leisten.“

Radeck führt die konkreten Erwartungen aus: „Der Bund und das Land müssen kurzfristig den Verkehrsunternehmen helfen, damit sie die hohen Treibstoffkosten bezahlen können. Außerdem muss das Land Niedersachsen stärker in die Finanzierung des lokalen Bus- und Tramverkehrs einsteigen sowie für die Ausfinanzierung von vergünstigten Tickets sorgen.“

Allein für die Aufrechterhaltung des derzeitigen Angebots braucht die Region mindestens fünfzig Millionen Euro zusätzliche Mittel pro Jahr. Sollen die Ziele Mobilitätswende und Verdopplung der Fahrgastzahlen bis 2030 erreicht werden, Busse und Bahnen häufiger und an weiteren Orten fahren, eine Antriebswende im ÖPNV umgesetzt werden und Innovationen die Nutzung komfortabler machen, muss das Land weitere Mittel in zweistelliger Millionenhöhe unbürokratisch zur Verfügung stellen.

Der öffentliche Nahverkehr ist als Teil der Daseinsfürsorge auf eine ausreichende Finanzierung durch die öffentliche Hand angewiesen. Einnahmen durch Ticketverkäufe haben noch nie die Kosten für den Betrieb, die Unterhaltung oder gar den Ausbau des ÖPNV-Netzes gedeckt. „Unterfinanziert ist vor allem das lokale und regionale Bus- bzw. Tram-Netz.

Hierfür gibt es viel zu geringe Mittel von Land und Bund“, führt Verbandsdirektor Ralf Sygusch aus. „Dabei ist der Bus ein unverzichtbarer Bestandteil des öffentlichen Nahverkehrs, denn nicht überall können Bahnlinien gebaut werden.“ Sollte es keine auskömmliche Finanzierung geben, so drohen schon in naher Zukunft Abbestellungen im Stadt- und Schienenverkehr.

Siehe auch: Eisenbahnkrise und Preissteigerungen schlagen zu

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