Eisenbahnkrise und Preissteigerungen schlagen zu
27.10.22 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Wir sind am Ende des Jahres 2022. Noch immer lautet das offizielle Ziel, die Fahrgastzahlen im öffentlichen Verkehr bundesweit bis 2030 zu verdoppeln – auch wenn unklar ist, zu welchem Bezugswert diese Verdoppelung stattfinden soll. Realistisch ist das jedoch nicht. Natürlich wird das 49-Euro-Ticket einige zusätzliche Kundengruppen erschließen. Vor allem aber wird es viele derzeitige Berufspendler finanziell erhebliche entlasten.
Das ist auch viel wichtiger, wenn man bedenkt, dass die öffentlichen Verkehrsmittel in vielen Fällen ohnehin am Anschlag unterwegs sind. Dazu kommen viele ungeplante Zugausfälle oder ausgedünnte Fahrpläne wegen Personalmangel. Mal fehlt es an Lokomotivführern und dann wieder an Fahrdienstleitern, sodass Eisenbahnstrecken in den Abendstunden gesperrt werden müssen, weil kein Personal da ist.
Vor diesem Hintergrund sollte ein realistisches Ziel sein, den nominellen Status Quo bis zum Jahr 2030 zu verstetigen und Maßnahmen zu ergreifen, dass vermeidbare Probleme wegen zu wenig Mitarbeitern der Vergangenheit angehören werden. Das ist umso schwieriger, wenn man all die Probleme bedenkt, die man jetzt auch und zurecht im Regionalverband Braunschweig so offen benennt.
Dabei wird der künftige Fahrzeugkilometer auf der Straße wie auch auf der Schiene deutlich teurer: Die Energiekosten schlagen auch bei öffentlichen Verkehrsmitteln zu, die Löhne werden angesichts der hohen Inflation entsprechend steigen und ganz generell haben wir bei langfristigen Verkehrsverträgen gesehen, die während der Laufzeit aus den schwarzen in die roten Zahlen rutschen, dass man auch hier künftig teurere Angebote erhalten wird.
Das alles muss finanziert werden und es ist richtig, dass der Regionalverband Braunschweig jetzt auch an die eigene neue Landesregierung appelliert und sagt: Es reicht nicht, nach dem Bund zu rufen und eine Landesregierung ist nicht allein deshalb bereits schienenfreundlich, nur weil sie das Blaue vom Himmel verspricht es aber nur umsetzt, wenn der Bund alles bezahlt, sondern gerade in den Landeshaushalten muss man ebenfalls seinen Teil beitragen.
Zur Veranschaulichung der Haushalt des Jahres 2022 im Land Niedersachsen hat ein Volumen von 37,1 Milliarden Euro. Zur Aufrechterhaltung des Status Quo rechnet man mit Mehrkosten von 50 Millionen, also 0,05 Milliarden Euro. Wir sprechen hier also von 0,135 Prozent des Haushaltsvolumens. Das hat nichts mit Unfinanzierbarkeit zu tun, hier geht es um die Frage des Wollens – auch mit einer Schuldenbremse und auch wenn wir unterstellen, dass die neue Landesregierung den harten Sparkommissar spielt.
Wenn man das hinkriegt und dann ab Januar mit dem 49-Euro-Ticket eine echte Revolution bei den Fahrpreisen auf die Beine stellt, dann kann man in den kommenden Jahren mit viel Kraftanstrengung wirklich eine starke Schiene auf die Beine stellen. Dann hält man Schulabgänger auch wenn sie ihren Führerschein haben bei der Stange und schafft die Verkehrswende, von der bislang zwar viel geredet, aber wenig umgesetzt wird.
Siehe auch: Niedersachsen: Warnung vor finanziellem Engpass
Foto: Deutsche Bahn AG / Christian Bedeschinski