Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

Die Weichen stellen

22.05.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Was der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr als größter SPNV-Aufgabenträger in der Europäischen Union macht, hat Signalwirkung weit über seinen eigenen Verbundraum hinaus. Und die Aufgabenträger haben in den nächsten Jahren einiges von der Politik ins Lastenheft geschrieben bekommen: Sie müssen den Eisenbahnverkehr dekarbonisieren, aber weit mehr als Bundes- und Landespolitik für die Elektrifizierung der Eisenbahninfrastruktur sorgen.

Sie müssen Planungen machen, um die Fahrgastzahlen schon in wenigen Jahren zu verdoppeln, aber jenseits eines solchen Narrativs auch mit den Auswirkungen der schweren Eisenbahnkrise in Deutschland klarkommen. Sie sollen die Eisenbahnverkehr deutlich attraktiver machen und müssen Vorratsplanungen anlegen, haben aber gleichzeitig mit Zugausfällen zu kämpfen, weil es branchenweit zu wenig Personal gibt.

Der Eisenbahnverkehr soll deutlich ausgebaut werden, gleichzeitig schaffen es die beauftragten Unternehmen nicht einmal den Ist-Fahrplan umzusetzen. Die geburtenstarken Jahrgänge der späten 1950er und 1960er Jahre stehen erst am Anfang einer massiven Verrentungswelle und Personalakquise kann bestenfalls die Abgänge kompensieren.

Man muss Personal finden, aber auch halten, während niemand in der Eisenbahnbranche offiziell etwas über Schnellfluktuation wissen will: Da wird jemand für einen mittleren fünfstelligen Betrag ausgebildet und orientiert sich danach relativ schnell um. Die Annahme, dass die Eisenbahner um jeden Preis auf diesen einen Eisenbahnjob angewiesen sind, funktioniert nicht mehr.

Aber das Thema Ressourcenmangel trifft auch bei der Eisenbahninfrastruktur zu, die ja massiv ausgebaut werden soll. Wie ist das Bundesunternehmen DB Netz auf mögliche Lieferengpässe und Mangellagen bei Bau- und Rohstoffen vorbereitet? Was passiert, wenn die Baumaßnahmen daran scheitern, dass man entweder gar kein Bauunternehmen mit freien Kapazitäten findet oder dass so ein Auftragnehmer ebenfalls aufgrund von Personalmangel oder Lieferschwierigkeiten bei der Baustelle in Probleme gerät?

Kann ein einzelner, wenn auch großer Aufgabenträger einen solchen Strauß an Problemen für sich alleine lösen? Sicherlich nicht. Auch die 27 Aufgabenträger bundesweit können das nicht gemeinsam tun. Was man aber machen kann ist jetzt die planerische Grundlage schaffen: Eisenbahnstrecken reaktivieren, Leistungsausweitungen, Infrastrukturausbauten und damit einhergehend eine bessere Leistungsfähigkeit. Ob und wie das dann umgesetzt wird, sieht man im nächsten Schritt.

Gleichzeitig gibt es natürlich auch eine Konkurrenzsituation auf der Schiene, denn auch der Güterverkehr soll stärker als der Markt wachsen. Wenn man also eine ohnehin schon oftmals unterdimensionierte Infrastruktur hat, die heute schon mit über hundert Prozent ausgelastet ist, dann aber sowohl der Personen- als auch der Güterverkehr mehr werden, läuft man in eine immer schwieriger werdende Situation hinein. Darauf gilt es sich jetzt vorzubereiten, auch auf die nächsten Jahrzehnte, wie der VRR es jetzt tut.

Siehe auch: VRR arbeitet am neuen Nahverkehrsplan
Foto: Deutsche Bahn AG / Wolfgang Klee

Kommentare sind geschlossen.