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Eisenbahn: Das magische Vieleck

26.11.12 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Die ODEG muss mit einem Ersatzkonzept an den Start gehen, auch Keolis hatte im Maas-Rhein-Lippe-Netz Zulassungsschwierigkeiten, die glücklicherweise nur einige Wochen dauerten. Der E-Talent 2 hat uns über Jahre beschäftigt, der „neue ICE 3“ wird ebenfalls mehr als ein Jahr Verspätung haben und die ET 430 für die S-Bahn Stuttgart kommen auch nicht pünktlich. Da geht es fast unter, dass die ET 422 für die S-Bahn Rhein-Ruhr auch nicht rechtzeitig zur Verfügung standen. Man merkt: Es hat nichts mit „doofen Privatbahnen“ zu tun, es liegt nicht an einem bestimmten Hersteller, dem es vermeintlich an Know-How mangelt oder an den Spätfolgen Mehdorn´scher Billigheimerei.

Es ist ein branchenweites, unternehmensübergreifendes Problem mit der Fahrzeugzulassung. Ob im Personen- oder Güterverkehr, die Situation mit dem Eisenbahnbundesamt scheint immer weiter zu eskalieren. Dabei sei gesagt: Wer meint, das läge an Kraftmeierei von überkorrekten, sich aufplusternden Beamten, der verkennt die Situation grundlegend. Sicherlich ist die Bonner Behörde im Winter 2008 / 2009 von einem Extrem ins andere gefallen. Nachdem es jahrelang eine lasche Zulassungspraxis gegeben hat und in den Triebzügen Typ ET 423 bis 426 immer wieder Menschen eingeklemmt worden sind, hat es irgendwann staatsanwaltschaftliche Ermittlungen gegeben. Einige Verfahren wurden erst während der Hauptverhandlung vor Gericht gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt.

Mit dem Wechsel an der Spitze des Eisenbahnbundesamtes von Armin Keppel zu Gerald Hörster am 1. Januar 2009 und dem Abgang von Hartmut Mehdorn im Bahntower einige Monate später war plötzlich eine andere Situation da. Dem EBA-Personal wurde vor Augen geführt, dass das eigene Handeln strafrechtliche Folgen haben kann. Züge müssen sicher sein, ob Bremssysteme, Türschließanlagen oder was auch immer. Zurecht mag man sagen. Es geht um die Frage, ob gebrechliche Menschen beim Einstieg in den Zug zu Tode gequetscht werden. Kann ein Zug auch dann, wenn ein Triebfahrzeugführer das Halt erwarten zeigende Vorsignal wegen Nebel erst in letzter Sekunde sieht und ein Schmierfilm aus Feuchtigkeit und Laub auf den Schienen ist, noch rechtzeitig anhalten, so dass der Auffahrunfall zum vorausfahrenden Zug vermieden wird?

Bei aller Diskussion muss man sich eins vor Augen halten: Die Eisenbahn ist ein mächtiger Koloss von so unwahrscheinlicher Kraft, dass es aufwendige Systeme braucht, diesem Herr zu werden. Gerade die Fortschreitende Automatisierung benötigt Software, auf die man sich verlassen können muss. Aus diesem Grund sind alle Beteiligten gefragt, einen gesunden Mittelweg zu finden: Sicherheit, Wirtschaftlichkeit aber auch die Partizipation am technischen Fortschritt müssen gewährleistet sein. Denn nichts symbolisiert seit eh und je Innovation so sehr wie die Eisenbahn, Eisenbahn ist Fortschritt. Statt von einem Extrem ins andere zu fallen gilt es, sich diesem magischen Vieleck zu stellen.

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