Verlässlichkeit und Attraktivität
30.01.25 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Wir befinden uns inmitten starker Bauaktivitäten, dazu kommt ein Personalmangel, der dafür sorgt, dass es wahlweise an Triebfahrzeugführern oder an Fahrdienstleitern fehlt. Wenn man sich mit den Eisenbahnverkehrsunternehmen darauf einigt, dass man zwischen 21 und 22 Uhr Betriebsschluss macht, weil man zu wenig Triebfahrzeugführer hat, dann DB InfraGo auch verstärkt die Nachtschichten auf den Stellwerken ausfallen lassen, weil die Leuten ebenfalls fehlen.
Wer also im Dreischichtsystem arbeitet und evtl. morgens vor sechs oder abends nach zehn fahren muss – und das unter Umständen auch am Wochenende – für den sind öffentliche Verkehrsmittel nicht mehr zuverlässig genug. Natürlich versucht man die Situation zu vermeiden, dass morgens um sieben oder acht am Bahnsteig ohne Vorwarnung der Hinweis „Zug fällt aus“ steht, aber es hat eben nicht jeder einen Neun-bis-Fünf-Job, sondern manch einer muss auch zu denkbar unchristlichen Zeiten zur Arbeit fahren.
Die Eisenbahner wissen ja, wie das ist. Es zeigt aber auch, dass so ein Aufgabenträger erstmal weitgehend machtlos ist, wenn das Verkehrsunternehmen keine Mitarbeiter hat. Das gilt umso mehr wenn es nicht das Problem eines einzelnen Akteurs ist, sondern ein branchenweites Thema. Es spielt also keine Rolle, ob die Eurobahn fährt, National Express, DB Regio oder wer auch immer.
Umso verständlicher ist der jüngste Einstieg des VRR bei der Regiobahn, auch mit dem klaren Ziel, dass man ein Eisenbahnverkehrsunternehmen haben möchte, das man gezielt steuern und für die eigenen Zwecke lenken kann. Denn bei künftigen Ausschreibungen stellt sich die Frage, ob man überhaupt noch Verkehrsunternehmen findet, die zu akzeptablen Preisen ein Angebot abgeben. Nicht etwa, weil die Bieter nicht wollten, sondern weil so ein Unternehmen mit seinem Bestandsnetz so beschäftigt ist, dass man schlichtweg nicht in der Lage ist, sich zusätzliche Projekte ans Bein zu binden.
Natürlich wird in einem solchen Fall immer ein bestimmtes Bundesunternehmen an den Start gehen, aber dann werden Preise aufgerufen, die für niemanden mehr darstellbar sind; auch wenn in der Wüste das Wasser eben teurer ist. Vor diesem Hintergrund muss man auch einen möglichen Einstieg des NWL bei der Eurobahn betrachten, sodass man auch hier ein Unternehmen hätte, das der Aufgabenträger selbst steuern könnte. Man wäre nicht mehr oder nicht mehr so stark auf externe Akteure angewiesen, weder auf private Unternehmen noch auf die DB AG und erst recht nicht auf andere europäische Staatseisenbahnen.
Denn irgendwo muss man ja dann ja sagen, dass es zwar kein Zurück zur alten Behördenbahn gibt, aber man trotzdem in irgendeiner Weise selbst Einfluss auf die Situation auf der Schiene nehmen kann. Natürlich wird es bis 2030 keine Verdoppelung der Fahrgastzahlen im Vergleich zu 2020 geben, im Gegenteil. Man muss zusehen, dass man im Jahr 2030 wieder die Verlässlichkeit des letzten Vor-Corona-Jahres 2019 hinkriegt. Hierfür gibt es verschiedene Wege und diese gilt es jetzt zu gehen.
Siehe auch: Notfahrplan im NWL
Foto: Eurobahn / C. Köster