Ohne Personal läuft nichts
09.12.24 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Am Ende des Jahres 2024 sehen wir überall in Deutschland Notfahrpläne, weil die Verkehrsunternehmen nicht genügend Personal haben, um die bestellten Leistungen zu erbringen. Im Gegenteil, es wird vielfach über weitere Ausdünnungen diskutiert, es fehlen Triebfahrzeugführer auf den Zügen, Mechatroniker in den Werkstätten und Fahrdienstleiter in den Stellwerken. Mal fällt der Zug aus, weil das Stellwerk unbesetzt ist, mal weil es keinen Triebfahrzeugführer oder Wartungsrückstände in den Werkstätten gibt.
Man könnte es fast klassische Mangelwirtschaft nennen, was auf der Schiene passiert – von zukünftigen Leistungsausweitungen muss man da nicht sprechen. Das Narrativ, dass man die Fahrgastzahlen bis zum Jahr 2030 im Vergleich zu 2020 verdoppeln möchte, hat man in diesem Jahr heimlich, still und leise beerdigt; zurecht. Dabei ließen sich finanzielle Probleme sicherlich einfacher lösen als der gravierende Personalmangel. Man hat erkannt, dass man neben der Personalakquise auch darüber reden muss, wie man das Bestandspersonal dauerhaft an sich bindet.
Der VDV spricht sich für gezielte Anwerbeaktionen im inner- oder außereuropäischen Ausland aus. Ob das erfolgreich wird, bleibt abzuwarten, denn hier konkurriert Deutschland natürlich auch mit anderen Nationen um gute Zuwanderer. Wer beispielsweise aus Mittel- oder Südamerika kommt und spanisch oder portugiesisch als Muttersprache spricht, für den ist Südeuropa definitiv interessanter als das kalte Deutschland. Wird ein brasilianischer Busfahrer wirklich nach Köln gehen, wenn er auch in Lissabon arbeiten kann?
Kommt der polnische Lokführer nach Magdeburg, wenn auch Manchester und Liverpool locken? Was ist mit einem deutschen Triebfahrzeugführer, der an der niederländischen Grenze lebt und über ausreichend Sprachkenntnisse verfügt, um auch dort eine Fahrberechtigung zu erwerben? Wird derjenige nicht eher in die Niederlande gehen als in Deutschland zu bleiben? Für viele Schwaben lockt die Schweiz, der in Konstanz im Stellwerk die Weichen stellt, kann das auch in Zürich oder Bern tun.
Das darf man nicht vergessen, wenn man an die internationale Personalakquise denkt. Dabei muss einem auch klar sein, dass die Ausbildung neuer Mitarbeiter Geld kostet – man kann natürlich versuchen, mit Arbeitsämtern oder anderen Sozialleistungsträgern Kooperationsvereinbarungen abzuschließen, aber darf sich nicht dauerhaft darauf verlassen. Selbst wenn ein Arbeitsamt ausreichend geeignete Bewerber hat, ist die Frage, ob genügend Budget vorhanden ist, um die Ausbildung aus deren Etats zu finanzieren.
Wir haben das schon einmal erlebt: Nach dem Start der großen Hartzreform im Jahr 2005 gab es in jeder Legislaturperiode mindestens ein großes Sparpaket, die Qualifikation von Arbeitslosen war immer dabei und wird es auch in Zukunft sein. Deshalb muss man von Anfang an einkalkulieren, dass Ausbildung Geld kostet und dass dieser Kostenblock in Zukunft nicht mehr einfach ausgelagert werden kann – zumindest nicht langfristig.
Siehe auch: VDV fordert politische Stabilität
Foto: Deutsche Bahn AG / Claus Weber