Die Bahn hat kein Konzept
01.08.24 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Es war zu erwarten, dass das Halbjahresergebnis der DB AG schlecht ausfällt. Der Bundesrechnungshof nennt das Unternehmen Zukunft ja auch nicht erst seit gestern einen Sanierungsfall und dreißig Jahre nach der Eisenbahnreform stecken wir erneut in einer veritablen Krise. Die Eisenbahnkrise hat zwei Facetten: Sie ist eine Krise des Verkehrsträgers Schiene, aber auch eine Krise das Unternehmens DB AG. Das hatte sich lange abgezeichnet.
Unter Rüdiger Grube lautete das Ziel immer, dass man aus seiner Verschuldung und seinem massiven Kostendruck rauswachsen will: Da sollte der Umsatz im Jahr 2020 bei siebzig Milliarden Euro liegen mit weiter wachsender Tendenz und die Schuldenlast und der Kostendruck wären auf einmal gar nicht mehr so übel gewesen. Aber es kam anders. Stattdessen hat man irgendwann das Ziel ausgegeben, man wolle das Fahrgastaufkommen auf der Schiene bis zum Jahr 2030 im Vergleich zum Jahr 2020 verdoppeln – vor einiger Zeit hat man aber heimlich, still und leise aufgehört, dieses Narrativ zu bespielen, was wiederum zeigt, dass bei den Verantwortlichen durchaus noch ein Rest an Realitätswahrnehmung vorhanden sein muss.
Das Problem ist aber, dass die DB AG scheinbar überhaupt kein unternehmenspolitisches Ziel mehr zu haben scheint. Das war schon unter Grube ein Problem und jetzt hat sich das ganze noch einmal verstärkt. Hartmut Mehdorn kam 1999 ins Amt und hat das Ziel der Eisenbahreform, den Verkehrsträger Schiene zu stärken, über Bord geworfen und wollte stattdessen an die Börse. Im Jahr 2008 wurde dieser Börsengang im Zusammenhang mit der Finanzkrise abgesagt und im Frühjahr 2009 stolperte Mehdorn über den Spionage-Skandal im Konzern. Seitdem ist aber unklar, wo die Bahn hinfahren möchte.
Noch immer haben wir einen integrierten Eisenbahnkonzern, der aber auf anderen Seite doch nur eine Holding ist, deren Unternehmen ihre gegensätzlichen Interessen nicht unter einen Hut bekommen. Wir haben ein Konstrukt, das man wohl als das Produkt einer abgebrochenen Eisenbahnreform bezeichnen kann, das die Nachteile des integrierten Konzerns mit den Nachteilen der Trennung von Netz und Betrieb verbindet. Wir haben aber gleichzeitig eine Situation, in der die Eisenbahnpolitik in Deutschland weitgehend der Unternehmenspolitik der DB AG widerspricht.
Während Verkehrsminister kommen und gehen, auf Landesebene sowieso, aber auch im Bund, schafft der Konzern es, seine Machtstruktur unabhängig von wechselnden politischen Mehrheiten im Bundestag und in den Landtagen zu verfestigen. Deshalb bleibe ich auch bei der Prognose, dass man spätestens nach dem Ende des aktuellen Investitionszyklus eine Kampagne lostreten wird mit dem Ziel, den Konzern auf Kosten des Bundeseisenbahnvermögens erneut zu entschulden. Denn wenn in den kommenden Jahren Finanzierungen erneuert werden müssen – dann aber bei deutlich höheren Zinskosten. Richtiger wäre ein ganzheitlicher Ansatz im Sinne einer inneren Fortschreibung der Eisenbahnreform – um die Schiene zu stärken.
Siehe auch: DB AG mit hohen Halbjahresverlusten
Foto: Deutsche Bahn AG / Dominic Dupont