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Über die Wahlperiode hinaus denken

02.05.24 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Seit einem Jahr gibt es nun das revolutionäre Deutschlandticket und angesichts der aktuellen haushaltspolitischen Lage wirkt es fast schon wie ein Relikt aus einer früheren Zeit. Tatsächlich haben die Landesverkehrsminister die Fortsetzung ja im wesentlichen auf der Basis beschlossen, dass der Bund dafür bezahlt. Gleichzeitig erleben wir, dass die FDP mit ihrem Vorsitzenden dem Bundesfinanzminister ihr Zwölf-Punkte-Programm zur Wirtschaftswende vorgelegt und damit die Ampelkoalition bereits angezählt.

Ältere werden sich an das Lambsdorff-Papier aus dem Jahr 1982 erinnern, das die Scheidungsurkunde der sozialliberalen Koalition war. Doch ganz gleich ob wir noch in diesem Herbst Neuwahlen kriegen oder erst nächstes Jahr, so ist das viel diskutierte Deutschlandticket ein Projekt, das über weit mehr als eine Legislaturperiode geht. In einem Mehrparteiensystem können Regierungen jederzeit platzen und es ist auch möglich, dass sich ohne vorgezogene Neuwahlen geänderte Koalitionen bilden.

Mit dem Bundesrat haben wir zudem eine zweite Kammer im Parlamentarismus, dessen Mehrheiten sich ständig verändern, weil mehrfach im Jahr irgendwo Landtagswahlen sind. Die Eisenbahn ist aber etwas, das nur langfristig geplant werden kann und daher von einer wechselnden politischen Großwetterlage geschützt werden muss. In der Schweiz hat man dafür schon vor Jahren den geschlossenen Finanzierungsfonds FABI ins Leben gerufen, der durch einen Volksentscheid legitimiert wurde und auf den Finanzpolitiker keinen Zugriff haben.

Auch in Deutschland spricht man immer wieder über Finanzierungsmöglichkeiten, die nicht jedes Jahr im Haushalt neu diskutiert werden müssen. Wenn man das Deutschlandticket also fortschreiben möchte, dann braucht man – wie auch schon bei den Regionalisierungsgeldern – eine langfristige Regelung, die definiert, welche Summen aus dem Bundes- und welche Summen aus den 16 Landeshaushalten kommen. Aber auch hier ist das Problem, dass Bund und Länder das kurzfristig ändern können, wenn sie es gemeinsam wollen.

Das Problem ist, dass die öffentlichen Verkehrsmittel hier zur reinen Verhandlungsmasse werden: Sei es zwischen Bund und Ländern oder sei es zwischen Regierung und Opposition. So war es auch 2007, als sich Bund und Länder kurzfristig darauf geeinigt haben, dass die Mehreinnahmen aus der Umsatzsteuererhöhung in Teilen an die Länder geht, im Gegenzug sinken die Regionalisierungsgelder. Angeblich soll der Bund aktuell bestrebt sein, die Regionalisierungsgelder zu senken, aber er kann das nicht ohne die Zustimmung der Länder.

Wenn man aber ernsthaft die öffentlichen Verkehrsmittel in Deutschland stärken will, dann muss man die Ausgaben verstetigen und sicherstellen, dass neuartige Angebote wie zum Beispiel das Deutschlandticket langfristig gesichert ist – und zwar so, dass es nicht jedes Jahr um ein vielfaches der Inflation teurer wird. Ansonsten müsste man leider attestieren, dass der ÖPNV nur ein Nice-to-Have ist, aber eben keine ernsthafte Verkehrswende angestrebt wird.

Siehe auch: Ein Jahr D-Ticket: VDV zieht Bilanz
Foto: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben

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