Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

  • Schlagwörter

Mehrgleisig fahren ist das Gebot der Stunde

04.04.24 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Idee, dass die Bundesagentur für Arbeit oder andere Sozialleistungsträger verstärkt Bildungsgutscheine ausstellen ist im Grunde nicht falsch: Viele Branchenakteure haben in den letzten zwanzig Jahren oftmals sehr gute Erfahrungen mit Quereinsteigern gemacht, die aus der Arbeitslosigkeit gekommen sind. Allerdings wäre es falsch, hier mehr zu sehen als nur eine von mehreren Finanzierungssäulen der Ausbildung.

In den letzten Jahren konnten wir erkennen, dass zahlreiche Firmen, die ihre Ausbildungskosten (oft auf Wunsch der Aufgabenträger) auf diesen einen Sektor konzentriert haben, mit ihrer Kalkulation ordentlich in die Gülle gefahren sind, weil es eben nicht gereicht hat. Das hat mehrere Gründe: Zum einen hat es seit dem Start der Hartzreformen vor etwa zwanzig Jahren bis zum Amtsantritt der Ampelkoalition in jeder Legislaturperiode ein bis zwei große Sparpakete gegeben. Die Arbeitslosenförderung ist immer dabei gewesen.

Die Stellen, die also für die Ausgabe von Bildungsgutscheinen verantwortlich waren, hatten schlichtweg kein Budget mehr – und so blieben die geeigneten Kandidaten arbeitslos. Oder eben auch nicht, denn die Konjunktur hat massiv angezogen und viele Leute haben den Sprung zurück in den Arbeitsmarkt geschafft. Es gab also die Situation, dass die zuständigen Ämter weder Budgets für Bildungsgutscheine noch potentielle Bewerber hatten, mit denen sie der Eisenbahn- und ÖPNV-Branche bei der Bewältigung der Personalnot hätten helfen können.

Darüber hinaus gibt es neben dem großen Themenkomplex der Personalakquise auch die Frage, wie man die Leute denn „bei der Stange“ hält. Wie verhindert man, dass es parallel zur ohnehin derzeit laufenden Verrentungswelle der geburtenstarken Nachkriegsgeneration auch noch im größeren Stil Kündigungen gibt, weil die Leute andere berufliche Möglichkeiten haben? Auch wenn auf Nachfrage nie jemand wissen will, wie hoch die Kündigerquote ist, so sind sich alle einig, dass das ein relevantes Thema ist.

Denn gerade wenn jemand nicht von der Westfalenbahn zur Nordwestbahn oder von DB Regio zu Go-Ahead wechselt, dann sind die Leute für die Branche auf Dauer verloren. Hier muss man sich also attraktiv aufstellen und die jüngsten Tarifabschlüsse mit der GDL gehen genau in diese Richtung. Auch wenn wir die Arbeitszeit zunächst senken, wird man dadurch wahrscheinlich sicherstellen, dass weniger Eisenbahner kündigen.

Wenn man dann, wie in Baden-Württemberg angedacht, weitere Anreize schafft, dann ist auch das ein wichtiger Schritt: Hilfe bei der Wohnungssuche und besondere Unterstützung für die Kinderbetreuung. Ja warum auch nicht? In Nordrhein-Westfalen gibt es die Möglichkeit für junge Mütter, die Ausbildung in Teilzeit zu absolvieren, dann in Teilzeit in den Beruf einzusteigen und wenn die Kinder größer sind, die Arbeitszeit auszuweiten. Was man braucht ist einen breiten Strauß sowohl in der Personalakquise als auch bei der Senkung der Kündigungszahlen. Was nicht funktioniert ist wenn man komplett auf nur eine Säule setzt. Man muss mehrgleisig fahren.

Siehe auch: Bündnis gegen Fachkräftemangel gegründet
Foto: SWEG

Kommentare sind geschlossen.