Die Eisenbahnkrise in Zahlen
15.04.24 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Die Zuverlässigkeit der Eisenbahn hat im Freistaat Bayern die schlechtesten Werte seit dem Beginn der Regionalisierung in den 1990er Jahren erreicht. Noch nie seit der Abschaffung der alten Behördenbahn war der SPNV im Freistaat zwischen Main und Alpenkamm so schlecht wie jetzt. Natürlich gab es Angebotsausbauten und auch das Rollmaterial wurde verbessert. Es wird auch keine Rückkehr zu alten Silberlingen geben. Durch die vielen Leistungsausweitungen ist die Infrastruktur auch stärker belastet, das mag alles sein.
Dennoch sind die Werte so schlecht wie nie und dass sie überhaupt erhoben werden ist bereits ein praktischer Erfolg der Eisenbahnreform. Denn vor dreißig Jahren gab es keine Aufgabenträger, die alte Behördenbahn konnte wie ein Gutsherr agieren. Wenn man sich außerstande sah, eine Linie zu betreiben, dann wurde kurzerhand die ganze Strecke einfach stillgelegt. Der Vergleich einer westdeutschen Schienenkarte von 1949 mit einer von 1994 zeigt, wie sehr in dieser Zeit gewütet wurde.
Und doch haben wir jetzt eine Situation erreicht, wo man sagen muss: Früher lief es besser. Auch ohne Radikalkritik an der Eisenbahnreform selbst müssen wir erkennen, dass wir nicht nur ein Problem haben, sondern eine handfeste Krise. Diese wird sich auch nicht einfach lösen lassen. Hier nutzt weder das vielzitierte „mehr Geld“ noch irgendeine moralische Überlegenheit. Hier müssen sukzessive Strukturen aufgebaut werden, die über Jahre und Jahrzehnte hinweg kaputtgegangen sind.
Wenn die Züge mal ausfallen, weil das zuständige Eisenbahnverkehrsunternehmen keine Lokomotivführer hat, dann wegen fehlender Mechatroniker in der Werkstatt und einhergehenden Wartungsrückständen und manchmal auch weil es keine Fahrdienstleiter in den Stellwerken gibt, dann haben wir einen Grad der Mangelwirtschaft erreicht, den man von realsozialistischen Ostblock-Staaten kennt, aber nicht von der bundesdeutschen Schiene. Dieser Personalbedarf verschärft sich aber weiter, denn selbst wenn wir davon ausgehen, dass keiner der neu eingestellten Personen kündigen wird, so befinden wir uns doch inmitten einer massiven Verrentungswelle.
Gleichzeitig erleben wir aber, dass die Infrastruktur weiter verfällt, dass gerade auch in den 2000er Jahren mit dem Ziel, die DB AG in ihrem damaligen Ist-Zustand „börsenfähig“ zu machen, das Netz massiv an Leistungsfähigkeit verloren hat. Es sei jedoch davor gewarnt, die Zustände von heute ausschließlich als Spätfolge der Mehdorn-Zeit zu sehen, sondern auch in den letzten 15 Jahren hat sich hier nichts oder zumindest nicht genug getan.
Jetzt gibt es den kommenden Jahren ein massives Bauaufkommen, wobei auch hier zu befürchten steht, dass der allgemeine Mangel zuschlägt und für sich verlängernde Baumaßnahmen sorgen wird. Es gibt also, bei allem Optimismus, keinen Grund zur Annahme, dass in naher Zukunft alles gut würde. Im Gegenteil, die Behebung der Probleme wird noch über Jahre andauern. Für 2024 oder 2025 sind jedenfalls keine besseren Werte zu erwarten.
Siehe auch: BEG legt Qualitätsbericht 2023 vor
Foto: Deutsche Bahn AG / Uwe Miethe