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Wenn der Kollaps nicht mehr nur droht

11.03.24 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Fassen wir einfach mal zusammen: Da leben wir mitten im „Jahrzehnt der Baustellen“, das nicht mehr nur Wochenendsperrungen oder mal drei oder vier Wochen Umleitungsverkehr bedeutet. Oftmals werden wichtige Eisenbahnverbindungen für Monate gesperrt und sind unbenutzbar. Verlängerungen solcher Sperrungen sind jederzeit möglich. Zum einen wissen wir alle, wie die Bahn baut und dass deutliche Verlängerungen da nichts ungewöhnliches sind. Zum anderen leben wir inzwischen in einer Situation der Mangelwirtschaft.

Baustoffe, Baumaschinen und Bauarbeiter sind knapp. So wie es Zugausfälle wegen fehlender Lokomotivführer gibt, so wie es Wartungsrückstände wegen fehlender Werkstatt-Mechatroniker gibt und so wie es geschlossene Stellwerke wegen fehlender Fahrdienstleiter gibt, so kann es auch jederzeit zu Baupausen wegen fehlender Bauarbeiter kommen. Wie sollen wir denn damit umgehen, wenn so ein Bauunternehmen auf einmal wegen Personalmangel eine Baustelle ruhen lassen muss?

Und dann gucken wir uns die politischen Narrative unserer Zeit an: Offiziell heißt es bis heute, dass die Fahrgastzahlen im Jahr 2030 im Vergleich zu 2020 verdoppelt sein sollen. Also während des Jahrzehnts der Baustellen mit einem Ausmaß bislang unbekannter Art sollen wir mit doppelten Fahrgastzahlen im Vergleich zu heute rauskommen. Seien wir ehrlich: Niemand kann das ernsthaft glauben. Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass es irgendjemanden gibt, der das glaubt.

Jetzt kommt ja der nächste Hammer: Angeblich möchte der Bund nach dem jüngsten Urteil des Bundesverfassungsgerichts im Zusammenhang mit der Schuldenbremse einseitig die Regionalisierungsgelder kürzen. Dem müssten die Länder im Bundesrat zwar zustimmen, aber seien wir ehrlich, wenn man denen entsprechende Lockangebote macht, dann werden sie es tun. Dabei müsste man eigentlich, selbst wenn man alle anderen Probleme unbeachtet lässt, diese Regionalisierungsgelder jedes Jahr massiv steigen lassen, um die Leistungsausweitungen zu finanzieren, die es bedarf, wenn man die Fahrgastzahlen verdoppeln will.

Stattdessen wird ernsthaft über eine Senkung diskutiert. Das kann durchaus dazu führen, dass es zu Abbestellungen kommt, wie wir sie zuletzt im Jahr 2007 im Zusammenhang mit den Finanzkürzungen im Rahmen des Koch-Steinbrück-Papiers hatten, das die Eisenbahn ausschließlich als Subventionsempfänger betrachtet hat. Damals allerdings hat die Eisenbahn im wesentlichen noch funktioniert. Die Soll-Fahrpläne wurden eingehalten.

Es war ärgerlich, dass bestimmte Umläufe einfach nicht mehr bestellt wurden, dass zur Tagesrandlage Züge gestrichen wurden und vieles mehr. Heute wären viele Eisenbahnunternehmen wahrscheinlich gar nicht traurig, wenn der Aufgabenträger mal eben zehn Prozent abbestellt, weil sie die Kapazitäten eben nicht mehr haben. Bundesweit sehen wir Notfahrpläne und kein Ende, jetzt kommt eine verschärfte Baustellensituation dazu. Das kann alles noch richtig lustig werden, ich wünsche gute Unterhaltung.

Siehe auch: Diskussion über Probleme beim BSWAG
Foto: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben

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