Die dramatische Entwicklung geht weiter
02.11.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Der schlechteste Wert seit Beginn der Regionalisierung im Jahr 1996: Das ist ein Pfund und wahrscheinlich wird es im Jahr 2023 nochmal schlechter sein. Überall in der Republik erleben wir, dass die Eisenbahnunternehmen auf Notfahrpläne wegen Personalmangel umschalten, weil die gesamte Branche bereits heute keine Kapazitäten mehr hat, den Soll-Fahrplan zu erfüllen. Auch baustellenbedingte Ausfälle und Verspätungen werden die deutsche Eisenbahn noch lange begleiten.
DB Netz hat ja erst das „Jahrzehnt der Baustellen“ ausgerufen und niemand weiß, inwieweit die inzwischen klassischen Krisengründe auch dort zu Buche schlagen werden. Was passiert denn, wenn so eine Baustelle mal eben acht Wochen länger dauert als geplant, weil die Bauarbeiter nicht da sind oder weil es bei Baustoffen Lieferengpässe gibt? Es macht insgesamt nicht den Eindruck, ob DB Netz in irgendeiner Weise vorbereitet ist, wenn auch im Baugewerbe auf Mangelwirtschaft umgestiegen wird.
Das ist ein hartes Wort, aber Mangelwirtschaft ist das, was wir auf der Schiene erleben und es ist auch das, was wir im Handwerks- und Baugewerbe erleben. Das ist kein Fatalismus, sondern eine Sachstandsbeschreibung. Es wird ja noch schlimmer: Was passiert denn, wenn sich Bauarbeiten kurzfristig um mehrere Wochen verlängern, aber der Schienenersatzverkehr nicht mehr zur Verfügung steht, weil das Busunternehmen schon einen Folgeauftrag angenommen hat?
Im Jahrzehnt der Baustellen haben wir deutlich mehr Schienenersatzverkehre als noch z.B. im Jahr 2010. Gleichzeitig wachsen aber weder Busse noch Busfahrer auf den Bäumen. Im Gegenteil, oft müssen auch die kommunalen Busunternehmen den Fahrplan ausdünnen, weil sie kein Personal haben – da kann man nicht einfach nach Belieben Schienenersatzverkehre einrichten, sondern auch hier gibt es Grenzen des machbaren, die dann wiederum dafür sorgen, dass sich die schwere Eisenbahnkrise noch zusätzlich weiter verschärft.
Das schlägt sich dann nieder in solchen Qualitätsberichten, wie sie jetzt auch die die BEG wieder vorgelegt hat und auch bundesweit wird man solche Dinge immer öfter spüren. Richtig ist natürlich, dass das Eisenbahnverkehrsunternehmen nur bedingt verantwortlich gemacht werden kann. Das hat mit betrieblichen Wechselwirkungen zu tun, aber gerade bei Vandalismusschäden auch mit den Stadtteilen, durch die solche Züge fahren. Allerdings sollte man hier auch nicht zu leicht dabei sein, eine Ausrede zu suchen.
Und wer ist verantwortlich, wenn so ein Zug ausfällt, wenn es weder einen Fahrdienstleiter noch einen Lokomotivführer gibt? Derjenige, der zuerst die Meldung absetzt, dass das Personal fehlt? Wie wollen die Aufgabenträger künftig damit umgehen, dass der Personalmangel nicht nur die Eisenbahnverkehrs-, sondern auch die Eisenbahninfrastrukturunternehmen betrifft? Eine einheitliche Vorgehensweise ist im Moment noch nicht erkennbar. Aber hier muss man gerade der verantwortlichen Verkehrspolitik gegenüber mit einer Stimme sprechen und sagen: So nicht!
Siehe auch: BEG publiziert Jahrespünktlichkeitswerte 2022
Foto: BEG / Manuel Schmid