Deutsche Ingenieurskunst erhalten
13.11.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Wenn wir uns die Zahlen des Branchenverbandes ansehen, dann stellen wir fest, dass ein erheblicher Teil der Umsätze im Ausland gemacht wird. Das ist überhaupt nichts schlechtes, im Gegenteil: Wir sind also in der Eisenbahntechnologie noch immer in der Lage, unsere Ingenieurskunst nicht nur für uns selbst zu nutzen, sondern diese auch ins Ausland zu verkaufen. Technologieexport, an dem wir verdienen und der hier bei uns Wohlstand und Arbeit sichert.
Wenn das in anderen Bereichen so gut klappen würde wie bei der Eisenbahn, dann wären einige gesamtgesellschaftliche Probleme in Deutschland wohl weit weniger belastend. Damit das so bleibt, müssen wir natürlich dafür sorgen, dass junge Ingenieure und Erfinder auch weiterhin in Deutschland bleiben. Dass sie nicht nach dem Abitur im Ausland studieren und nicht zurückkehren, sondern dass sie dauerhaft bleiben: Hier studieren oder einen Beruf bei der Eisenbahnindustrie lernen und die Karrieremöglichkeiten nutzen, die sich für junge Talente bieten.
Wichtig ist, dass die Unternehmen das Potential des Nachwuchses erkennen, aber das tun sie ganz offensichtlich auch sehr gut. Problematisch ist, wenn die Baupreise, die traditionell schon stärker steigen als die Inflation, festgeschrieben sind und sich damit gerade für Mittelständler erhebliche Kostenrisiken ergeben. Hier ist, wie der Verband der Bahnindustrie zurecht sagt, mit politischen Mitteln nachzusteuern. Allerdings müssen wir uns auch im Bereich des Baumanagements wie auch bei der Waggonindustrie mit den Themen befassen, die auch die Verkehrsunternehmen haben.
Wir erleben überall in Deutschland, dass die Unternehmen auf Notfahrpläne umsteigen, weil sie nicht mehr die Kapazitäten haben, die vom Aufgabenträger bestellten Leistungen zu fahren. Da ist es ja schön, wenn man sagt, dass man zumindest auf Verlässlichkeit setzt und z.B. nicht mehr alle halbe Stunde, sondern nur noch alle Stunde fährt. Aber wie soll das weitergehen? Ist das jetzt ein Dauerzustand?
Und was passiert, wenn sich die Auslieferung neuer Züge nicht mehr verzögert, weil es Probleme mit der Zulassung durch das Eisenbahnbundesamt gibt – ein Thema, das wir über Jahre hatte – sondern weil es schlichtweg kein Personal mehr in den Montagehallen gibt? Ist die Bahnindustrie darauf vorbereitet? Was macht ein Aufgabenträger, wenn ein SPNV-Unternehmen mitgeteilt kriegt, dass sich die Bereitstellung der neuen Züge mal eben um anderthalb Jahre verzögert, weil man die Planstellen in der Produktion nicht mehr besetzen kann?
Zumal nicht nur das Thema Personalmangel, auch das Thema Vorprodukte und Lieferketten eine große Rolle spielen. Was passiert denn, wenn notwendige Baustoffe auf einmal über Monate nicht lieferbar sind und die Produktion deshalb ruhen muss? Wollen wir hoffen und beten, dass das nicht passiert? Das kann ja jeder tun, aber man muss sich doch auf solche Fälle vorbereiten und offen darüber sprechen, was im Falle eines Falles zu tun ist. Ansonsten droht hier in den nächsten Jahren noch ein sehr übles Erwachen.
Siehe auch: Bahnindustrie in Aufbruchstimmung
Foto: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben