Verbände stellen achten Wettbewerberbericht vor
23.10.23 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld
Die Wettbewerberverbände Mofair und Die Güterbahnen haben ihren achten Wettbewerberreport publiziert. Angesichts der dramatischen Finanzlage der DB AG und der Erfolge der wettbewerblichen Vergaben auf der Schiene sei es an der Zeit, sich anzusehen, was hinter den Problemen steckt. Die privaten Wettbewerber im Schienengüterverkehr konnten in den letzten zwei Jahren ihren Marktanteil im Vergleich zur DB Cargo weiter auf nunmehr 59 Prozent im Jahr 2022 ausbauen.
Der Wert des Wettbewerbs im Schienenpersonennahverkehr bemisst sich vor allem an der massiven Ausweitung des Angebots. Der Marktanteil der Wettbewerbsbahnen liegt im SPNV bei nunmehr deutlich über vierzig Prozent. Das alles trotz widriger Bedingungen durch multiple Krisen, aus der maroden Infrastruktur und steigender Personal-, Material- und Energiekosten.
„Der Erfolg der privaten Güterbahnen hat den Güterverkehr auf der Schiene vor der Bedeutungslosigkeit gerettet. Nun werden die Wettbewerber auch das Marktanteils-Ziel von 25 Prozent bis 2030 retten müssen, wenn die DB Cargo die weißen Fahnen auspackt“, kommentiert Ludolf Kerkeling, Vorstandsvorsitzender der Güterbahnen.
Er bezieht sich auf Medienberichte, wonach Cargo-Chefin Sigrid Nikutta die Unternehmens-Wachstumsziele einkassiert hat. „Qualität und Produktivität sind Erfolgsfaktoren, die bei DB Cargo im Kontrast zu den privaten Güterbahnen zu schwach ausgeprägt sind. Der Bund sollte sich überlegen, ob er den Einzelwagenverkehr vom restlichen Geschäft abtrennt, um die lahme DB-Ausrede „Alles liegt am EWV“ zu entlarven.“
Martin Becker-Rethmann, Präsident von Mofair: „Der Wettbewerb im SPNV hat sich absolut bewährt. In den Qualitätsrankings liegen die Wettbewerbsbahnen weiter deutlich vor der DB Regio, vor allem dann, wenn diese in alten, direkt vergebenen Verkehrsverträgen fahren. Aber das Vergabemodell muss nachjustiert werden: Sachgerechte Zuordnung von Risiken, in den Vergabeverfahren mehr Gewicht auf Qualität und Innovationsfreude, weg von der Reduktion der Verkehrsunternehmen auf reine Lohnkutscher.“
Dennoch beobachten die Verbände mit Verwunderung, dass zur Halbzeit der Legislaturperiode eine Bundesregierung, die zu zwei Dritteln aus Parteien besteht, die eine entschiedene Eisenbahnreform vorantreiben wollten, einen bisher so unambitionierten Vorschlag zur Gründung der gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft vorgelegt hat. Sie fordern, die DB InfraGO AG unabhängiger von der Konzernleitung zu machen, die Gemeinwohlorientierung gesetzlich zu verankern und vom Bund, seinen Konzern an eine kürzere Leine zu nehmen, damit dieser im Sinne der Kundschaft handelt.
In der letzten Woche hat der Bundesrat ein Gesetz zur Beschleunigung des Schienenausbaus verabschiedet. Die Verbände fordern jetzt eine schnelle Realisierung dessen. „Scheinbar muss die Bundesregierung gezwungen werde, konkrete Verbesserungen bei der Steuerung der DB zuzusagen und politische Maßnahmen nicht dem Gusto des DB-Komplexes zu überlassen“, erklären die Verbandschefs.
Die Broschüre, die beide Verbände in Kooperation herausgeben, spart nicht mit Kritik am integrierten Staatskonzern. „Die Deutsche Bahn muss sich fragen lassen, welchen Anteil sie trägt, wenn ein ganzer Verkehrsträger eine eigene Rubrik in Witzebüchern füllen kann“, so Kerkeling. Mit dem zusätzlichen Geld, das die Regierung zur Verfügung stellt (versprochen sind 45 Milliarden Euro bis 2027), erwächst die Erwartung, dass die DB Sanierung und vor allem den Ausbau des Netzes beschleunigt angeht.
Becker-Rethmann: „Die strukturellen Probleme lassen sich allerdings nur durch quantifizierbare Zielvorgaben und zusätzliche Kontrolle durch den Bund lösen. Es reicht nicht, zum x-ten Mal darauf zu hoffen, dass die DB allein durch mehr Geld auf den rechten Pfad kommt.“ Im Report sind daher mehrere Kapitel der Situation der Infrastruktur, dem Aufbau des DB-Konzerns und den Erwartungen an die neue gemeinwohlorientierten Infrastrukturgesellschaft „InfraGO“ und ihre Kontrolle gewidmet.
Lob gibt es von den Verbänden für die Regierung dafür, dass sie das dunkelrote Alarmsignal der Unterfinanzierung des Schienennetzes nicht mehr ignoriert. „Die Ampel schafft damit eine Wende. Jetzt gilt es aber, das Geld sinnvoll auszugeben: Nicht nur Sanierungen sind wichtig, sondern vor allem der Neu- und Ausbau wird entscheidend für die Zukunft der Schiene sein“, so Mofair-Präsident Martin Becker-Rethmann.
Siehe auch: Die Eisenbahnkrise ist auch eine Konzernkrise