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Risiken abwägen und einkalkulieren

30.10.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Schon lange muss das Ziel lauten, die Elektrifizierung der Eisenbahn voranzutreiben. Die elektrische Oberleitung muss die Regel sein und wo es sie nicht gibt, muss man sie nachrüsten. In den allermeisten Fällen dürfte das relativ problemlos gehen. Natürlich sind auch Akkuzüge im Prinzip eine gute Idee. Die Züge können auf elektrifizierten Abschnitten aus der Oberleitung nachladen und müssen dann nicht wegen kurzer Abschnitte viele Kilometer unter Fahrdraht in Dieseltraktion zurücklegen.

Allerdings sind das Züge, die bislang nur auf dem Papier existieren. Es gibt keine Erfahrungen mit Akkutriebzügen, die zehn oder zwanzig Jahre alt sind und noch viele Betriebsjahre vor sich haben. Wer will denn heute im Oktober 2023 sicher sagen, ob die teuren Akkus im Jahr 2038 oder 2043 noch die gleichen Kapazitäten haben wie jetzt? Das kann niemand vorhersagen.

Natürlich ist es möglich, dass die Leistungsfähigkeit dieser Akkus über dreißig Jahre und mehr – wir reden also über einen Zeitraum bis weit in die 2050er Jahre – so bleiben wie am Anfang. Aber was ist, wenn das nicht der Fall ist? Natürlich kann man aus Sicht des Landes Schleswig-Holstein sagen, dass man einen Vollservicevertrag mit dem Hersteller Stadler hat.

Da würde ich jetzt als erstes mal genauer reingucken, was in den Verträgen eigentlich drinsteht wann und unter welchen Umständen so ein Akku ausgewechselt werden muss und auf wessen Kosten das geht. Und was macht es mit dem Eisenbahnverkehrsunternehmen, wenn so ein Zug regelmäßig im Nachmittagsbereich liegenbleibt? Welche Pönale werden dann fällig und welche finanziellen Risiken gehen mit einer bislang unerprobten Technologie einher? Steht zu befürchten, dass langfristige Verkehrsverträge dann wegen einer solchen Technologie aus den schwarzen und die roten Zahlen laufen?

Wir haben doch in der jüngeren Vergangenheit erst gesehen, dass es sehr wohl möglich ist, dass ein Marktakteur nicht in der Lage ist, dauerhafte Verluste zu finanzieren bzw. dass der Gesellschafter nicht bereit ist, dies zu tun. Die Erneuerung eines solchen Akkus wird allerdings so teuer sein, dass der Hersteller es zunächst einmal versuchen wird zu umgehen.

Und dann? Drohen dann langfristige gerichtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Hersteller und dem Aufgabenträger mit unklarem Ausgang über die Frage, ob der Akku getauscht werden muss und auf wessen Kosten das zu geschehen hat? Und wenn der Aufgabenträger sich nun doch beteiligen muss, hat man Rückstellungen für mögliche Akkuneukäufe bereitgestellt oder muss man dann ins Risiko gehen und vielleicht sogar einen ungeplanten Kredit aufnehmen?

Natürlich sind all diese Fragen sehr theoretischer Natur, aber wer schon länger dabei ist, der weiß dass im Laufe langer Verkehrsverträge alle möglichen Dinge passieren können. Mit dem Akkutriebzug kommt jetzt ein Unsicherheitsfaktor dazu, von dem niemand weiß, wie gut sich diese Technologie über die Jahrzehnte im Alltag bewährt. Es ist, passend zur anstehenden Halloweennacht, eine echte Hokuspokus-Technologie.

Siehe auch: Neue Akkuzüge fahren in Schleswig-Holstein
Foto: Nahverkehrsverbund Schleswig-Holstein GmbH

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