Die Schiene ist mehr als nur ein Kostenfaktor
28.09.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Wenn Sie in Deutschland über die Schiene sprechen, dann werden Politiker in aller Regel über die hohen Kosten für die öffentliche Hand sprechen. Alles nicht finanzierbar. Und tatsächlich gibt es selbst dann, wenn eine Förderung konkreter Projekte grundsätzlich möglich ist noch lange keinen Automatismus, dass dies auch passiert.
Wenn beispielsweise die Verlängerung einer beliebigen Regionalstrecke über den jetzigen Endpunkt hinaus auf einer Strecke von zwölf Kilometern bis in den nächsten Eisenbahnknoten ausreichend förderfähig ist, muss für dieses konkrete Projekt eine Finanzierungsvereinbarung her. Der Infrastrukturbetreiber, in aller Regel DB Netz, wird ebenso ins Boot geholt wie Bund und Länder. Ist im aktuellen Haushalt nicht genügend Geld da, dann gibt es halt keinen Ausbau.
Dabei sehen wir doch an der Rheintalbahn beispielhaft, welch´ enormer Nutzen von der Schiene ausgehen kann. Auch das gesellschaftliche Ansehen kann steigen, wenn man es schafft, den lauten Güterverkehr nicht nur leiser zu machen, sondern auch über Neubaustrecken aus den Wohngebieten herauszuhalten, wie es bei der Rheintalbahn der Fall wäre. Denn gerade hier sprechen wir von internationalen Güterverkehrsleistungen quer durch Europa, die ohnehin schon verhältnismäßig lang auf deutschem Boden unterwegs sind, weil sie in der nicht ausreichend dimensionierten Eisenbahninfrastruktur nicht mit der Durchschnittsgeschwindigkeit weiterkommen, die es eigentlich bräuchte.
Wir alle wollen die Schiene stärken und wir alle wollen auch die Stellung der Eisenbahn im Wettbewerb der Verkehrsträger verbessern. Hierfür muss man klar zeigen, welcher ökonomische Nutzen da ist. Das gilt für die großen Neubauprojekte ebenso wie für die kleinen. Viele Strecken werden auch deshalb nicht wieder hergerichtet, weil man bei Begutachtungen im Vorfeld zwar die vollen Kosten einberechnet, jedoch beim Nutzen nur über den Personenverkehr spricht.
Man stelle sich einmal vor, eine Autobahn könnte um vierzig bis sechzig Lastwagenfahrten in der Woche entlastet werden, weil es entlang einer reaktivierten Strecke Wirtschaftsbetriebe gäbe, die dann über die Schiene angebunden wären. Man braucht also eine positive Grundhaltung zur Eisenbahn, die sich nicht nur über moralische Überlegenheit definiert, sondern über klar berechenbare volkswirtschaftliche und gesamtgesellschaftliche Nutzwerte.
Die Eisenbahn ist ein wichtiger Arbeitgeber und Wirtschaftsfaktor. Sie bietet konjunkturunabhängig sichere Arbeitsplätze an – junge Leute kommen aus der Schule und können Jahrzehnte bis zum Renteneintritt bei der Eisenbahn bleiben. Gleichzeitig sorgt man dafür, dass die öffentliche Daseinsvorsorge besser wird und es auch angenehm sein kann, sein Auto stehen zu lassen und über die Schiene zu fahren. Hierfür bedarf es einer umfassenden Kommunikationsarbeit, die aber auch auf vielen Ebenen angesetzt werden muss. Denn dass die Schiene Potential hat, sieht man immer wieder. Man muss es aber auch auf vernünftige Art und Weise nutzen können.
Siehe auch: Studie zur Rheintalbahn veröffentlicht
Foto: Deutsche Bahn AG / Georg Wagner