Mitarbeiter anwerben und halten
31.08.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
Bei dem hohen Personalbedarf ist es nur konsequent, dass die Zahl der Ausbildungsstellen auf ein Rekordhoch steigt. Doch das ist nicht alles. Erst letzte Woche ging durch die Nachrichten, dass wir bundesweit ein Rekordtier erleben bei den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen. Das liegt sicher auch an den demographischen Entwicklungen. Wenn weniger junge Leute aus der Schule kommen, hat man auch weniger potentielle Lehrlinge.
Man muss sich aber auch die Frage stellen, ob wir wirklich eine so hohe Zahl an Schülern erst in die gymnasiale Oberstufe, dann ins das Abitur und in Studium schicken oder ob es nicht sinnvoller wäre, klassische gewerblich-technische oder handwerkliche Berufe aufzuwerten. Denn die Aufstiegsmöglichkeiten hat auch ein normaler Jugendlicher, der nach der zehnten Klasse in die Ausbildung startet.
Niemand muss für immer Lokomotivführer oder Mechatroniker bleiben. Gerade die DB AG, aber natürlich auch die anderen Unternehmen in der Branche, bieten vielschichtige Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung an. Das muss man auch so offen kommunizieren. Die Zahl der Schulpartnerschaften soll weiter steigen: Gut so, denn der Kontakt mit Jugendlichen muss aufgebaut werden, bevor die Schule vorbei ist.
Dafür gibt es die Möglichkeit des Schülerbetriebspraktikums in der achten oder neunten Klasse, aber eben auch verstärkte Kooperationen zwischen Betrieb und Schule. Doch auch wer nicht das Glück hat, eine Partnerschule zu besuchen, hat alle Chancen auf eine Zukunft als Eisenbahner. Denn vergessen wir nicht: Wer bei der Eisenbahn ist, hat einen konjunkturunabhängigen, sicheren Arbeitsplatz.
Lokomotivführer, Fahrdienstleiter, Mechatroniker, aber auch Verwaltungspersonal wird man immer brauchen. Wer möchte kann mit 16 bei der Eisenbahn anfangen und dort ein halbes Jahrhundert bis zur Rente verbleiben. Doch zur Realität gehört auch, dass das längst nicht mehr alle tun. Österreich hat bei neu ausgebildeten Lokomotivführern eine Schnellfluktuation von etwa zwanzig Prozent: Innerhalb von zwei Jahren ist einer von fünf neuen Lokomotivführern nicht mehr da.
Das zeigt zum einen den Stellenwert, den die klassische Berufsausbildung auch im Vergleich zur Erwachsenenausbildung nach wie vor haben muss – denn einer, der von der Pike auf die Eisenbahn gelernt hat, ist eben doch im Zweifel loyaler als der, der vierzigjährige Elektriker, der nach einem Jahr wieder in seinen alten Job geht. So ein bisschen entsteht der Eindruck, dass vielen in der Eisenbahnbranche gar nicht klar ist, dass neben der Personalakquise auch der Erhalt des Personalstammes eine der größten Herausforderungen ist.
Dafür bedarf es in den kommenden Jahren kräftige Tarifabschlüsse, auch deutlich über dem Bundesdurchschnitt. Denn die Eisenbahn steht im Wettbewerb mit vielen anderen Branchen um gut ausgebildete und motivierte Mitarbeiter. Das gilt umso mehr, weil wir uns mitten in einer Verrentungswelle befinden. Diese Herausforderungen gilt es in den kommenden Jahren anzunehmen.
Siehe auch: DB AG mit Rekordausbildungszahlen
Foto: Deutsche Bahn AG / Volker Emersleben