Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

  • Schlagwörter

Den Blick nach Österreich wagen

20.07.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Wenn man sich einmal ansieht, was in Österreich genau los ist, dann ähneln viele Themen den Deutschen doch sehr: Man möchte, aus gutem Grund, mehr Verkehr auf die Schiene bringen und den Verkehrsträger Eisenbahn stärken. Hierfür muss dieser attraktiver gemacht werden. Dafür bedarf es deutlich Infrastrukturausbauten. Allerdings ist die Leistungsfähigkeit der Infrastruktur nicht automatisch in Korrelation mit der Pressewirksamkeit bestimmter Ausbaumaßnahmen.

Schon kleinere Überholgleise, die verlängert werden oder wenige zusätzliche Weichen können den Betriebsablauf deutlich verbessern, ohne dass die Öffentlichkeit dies großartig zur Kenntnis nehmen würde. Aber die Eisenbahn funktioniert nun einmal anders als der Autoverkehr und ein Stau auf der Schiene bedarf anderer Lösungsmittel als einer auf der Straße. Dennoch sind möglichst viele Ausweich- und Überholstellen, eine erhöhe Befahrgeschwindigkeit von Weichen und Gleisvorfeldern und ähnliche auf den ersten Blick langweilige Dinge notwendig, um den Verkehrsträger Schiene leistungsfähiger zu machen.

Dabei haben unsere Nachbarn im schönen Österreich offensichtlich einige Probleme nicht, mit denen wir uns seit einiger Zeit herumschlagen müssen. Die schwere Eisenbahnkrise in Deutschland resultiert, anders als von einschlägigen Interessenvertretern behauptet, nicht oder nicht hauptsächlich aus einer Unterfinanzierung. Hohe Summen nicht verausgabter Regionalisierungsgelder in Kombination mit zu wenig Personal belegen das.

Wir befinden uns in einer massiven Verrentungswelle, gleichzeitig funktioniert die Personalakquise nur mittelmäßig und niemand weiß, wie viele neu eingestellte Mitarbeiter innerhalb eines kurzen Zeitraums wieder gehen. Seltsamerweise haben die Österreicher, deren Personalnot nicht ansatzweise so groß ist wie die in Deutschland, eine ganz konkrete Definition, was Schnellfluktuation ist: Wenn jemand in den ersten 24 Monaten wieder geht, spricht man von Schnellfluktuation. Das betrifft knapp jeden fünften neu ausgebildeten Eisenbahner.

In Deutschland will auf Nachfrage niemand so genau Bescheid wissen. Natürlich haben auch hiesige Branchenvertreter das Thema auf dem Schirm und wissen, dass man Personal nicht nur anwerben, sondern auch halten muss, aber wie hoch der Anteil derer ist, die relativ schnell wieder in den alten Beruf zurückwechseln oder sich noch einmal umorientieren, weiß niemand genau. Vielleicht ist auch das ein Punkt, an dem Österreich ein Vorbild sein kann: Einfach mal eine umfassende Bestandsaufnahme machen, damit wir wissen, wovon wir reden.

Wie kann man Leute dazu bringen, dass sie nicht nach kurzer Zeit wieder gehen, sondern dass sie dauerhaft Eisenbahner bleiben? Da man das Problem in Österreich genauso hat wie bei uns, kann man sich auch sehr gut darüber austauschen: Wie löst Ihr das, seht Euch an, was wir machen, lasst uns voneinander lernen und miteinander sprechen. Denn die Eisenbahn muss auch auf der internationalene Ebene gut vernetzt sein und ergiebig zusammenarbeiten.

Siehe auch: Österreich: WKÖ begrüßt Wachstum auf der Schiene
Foto: ÖBB

Kommentare sind geschlossen.