DVB: Letzte Tatra-Züge ausgemustert
09.06.23 (Sachsen) Autor:Stefan Hennigfeld
Nach 56 Jahren sind die Tage der Tatra-Straßenbahnen im öffentlichen Fahrgastbetrieb der Dresdner Verkehrsbetriebe (DVB) gezählt. Die letzten drei Wagen wurden letzte Woche von den DVB-Vorständen Andreas Hemmersbach und Lars Seiffert als historische Fahrzeuge dem Dresdner Straßenbahnmuseum übergeben. Ab sofort befördern sie Fahrgäste nur noch bei Sonderfahrten des Museumsvereins.
Extra dafür haben die Museumsmitglieder am Sonnabend einen Sonderfahrtag mit Tatras aller Generationen organisiert. Bereits 2010 wurden die Tatras aus dem regulären Liniendienst der DVB entlassen. Sie fuhren lediglich noch als Verdichtung der Linie 3 im Studentenverkehr oder bei speziellen Fahrten im Schülerverkehr. Zuletzt waren die verbliebenen zehn Einzelwagen, aus denen bis zu vier Züge mit zwei oder drei Wagen gebildet werden konnten, als Verstärkerfahrten für Fußballspiele und andere Großveranstaltungen im Einsatz.
Auch während der schwierigen Ersatzteilversorgung in der Corona-Zeit durften die Tatras vorrübergehend noch einmal auf Linienfahrt gehen. Mit laufender Inbetriebnahme der neuesten Dresdner Stadtbahngeneration ist der Fahrzeugbestand ausreichend. Damit endet der Tatra-Einsatz im Fahrgastbetrieb endgültig. Zwar erfreuen sich die Wagen wegen ihrer Seltenheit bei Fans großer Beliebtheit, im täglichen Fahrgastbetrieb werden sie wegen der fehlenden Barrierefreiheit vor allem von mobilitätseingeschränkten Personen längst nicht mehr akzeptiert.
Im DVB-Bestand bleiben nur die Kinderstraßenbahn Lottchen, der Fahrleitungsmesswagen, der Schienenschleifwagen sowie einzelne Sonderwagen, beispielsweise für den Einsatz des Schneepfluges. Nach den MAN-Wagen, dem legendären Hecht und den zweiachsigen Wagen aus DDR-Produktion endet nun eine weitere, fast sechs Jahrzehnte lange Ära der Dresden Straßenbahn: Mit ihrer Omnipräsenz prägten die Tatra-Wagen seit den späten sechziger Jahren das Stadtbild der sächsischen Landeshauptstadt.
Erst rot, später gelb lackiert, fuhren sie in Zugkombinationen, die aus zwei oder drei Einzelwagen bestanden. Der marode Vorkriegswagenpark und die nahe Einstellung der Straßenbahnproduktion in der DDR hatten die Dresdner veranlasst, im November 1964 einen sechsmonatigen Probebetrieb des in Prag hergestellten T3-Triebwagens zu vereinbaren. Auf Basis dieser Erfahrungen entstand eine schmalere Version: der T4D. Den Prototyp mit der Nummer 2000 kann man noch heute im Straßenbahnmuseum bewundern.
Durch gutes Verhandlungsgeschick war es in Dresden möglich, ab 1967 als erste ostdeutsche Stadt diesen Wagentyp einzuführen und sogar die Generalvertretung für die DDR zu übernehmen. Allerdings verzögerte sich die erste größere Lieferung. In Anspielung auf die Ereignisse während des Prager Frühlings erhielten die Tatras deshalb den Spitznamen „Dubčeks letzte Rache“. Aber bis 1984 lieferten die Prager ČKD-Werke insgesamt 572 Triebzüge und zusätzlich noch 249 Beiwagen nach Dresden.