EVG-Streik gerichtlich verhindert
15.05.23 (Allgemein) Autor:Stefan Hennigfeld
Ein fünfzigstündiger Warnstreik, zu dem die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) vom gestrigen Sonntag, 22 Uhr, bis zum morgigen Dienstag, 24 Uhr aufgerufen hatte, ist verhindert worden. Die DB AG hat das Arbeitsgericht Frankfurt am Main angerufen und dort haben sich die Beteiligten auf einen Kompromiss im Bereich des konzernspezifischen Mindestlohns geeinigt.
Zuvor hatte die vorsitzende Richterin erkennen lassen, dass ein fünfzigstündiger Warnstreik sehr wahrscheinlich als unverhältnismäßig eingestuft würde. Ein Warnstreik ist besonders kurz, kann dafür allerdings bereits stattfinden ohne dass die Tarifverhandlungen gescheitert sind und ohne dass es hierzu einer Urabstimmung bedarf.
Martin Seiler, Personalvorstand der DB AG: „Der Gang der Deutschen Bahn vors Arbeitsgericht hat sich für alle gelohnt. Im Interesse der Eisenbahnverkehrsunternehmen, deren Kundinnen und Kunden sowie der Industrie haben wir alles getan, um diesen Streik noch abzuwenden, mit Erfolg. Zu einem solchen Kompromiss gehören selbstverständlich immer beide Seiten.“
Seit Sonntag arbeitet die DB AG ununterbrochen an der Rückkehr zum Normalangebot. Erstmals musste der Bahnbetrieb innerhalb von 24 Stunden von Runterfahren auf Hochfahren umorganisiert werden. Dazu werden seit gestern bundesweit rund 50.000 Zugfahrten allein im Fern- und Nahverkehr sowie die dazugehörigen Schicht- und Einsatzpläne wieder neu geplant. Fahrzeuge müssen neu disponiert und teilweise an neue Abfahrtsorte verbracht werden. Nachdem die DB AG aufgrund der Ankündigung des 50-Stunden-Warnstreiks zunächst tausende Mitarbeiter aus den Schichtplänen genommen hat, müssen ihre Einsätze jetzt kurzfristig wieder neu organisiert werden.
Diese für die DB AG einmalige und neue Situation gelingt deutlich besser als zunächst angenommen. Dennoch lassen sich Einschränkungen für die Reisenden leider nicht vermeiden. Im Fernverkehr will die DB AG zum Wochenstart den Bahnverkehr schnell wieder hochfahren. Am Sonntagabend kann es zu einzelnen Zugausfällen kommen. Am Montag werden rund zwei Drittel der geplanten Züge verkehren. Ab Dienstag werden alle ICE- und IC-Züge wieder wie geplant unterwegs sein.
Für Fahrten zwischen Sonntag und Dienstag die DB Fernverkehr AG die Zugbindung auf und ermöglicht in diesem Zeitraum die flexible Nutzung der Fahrscheine. Alternativ können bis zum 11. Mai gebuchte Fahrkarten des Fernverkehrs für die Reisetage 14. bis 16. Mai kostenfrei erstattet werden. Zudem gelten die Fahrgastrechte. Diese sind bei Streiks nicht einschlägig, da diese rechtliche zur höheren Gewalt zählen.
Allerdings: In dem Vergleich hat die EVG lediglich zugestimmt, den konkreten Streikaufruf abzusagen. Weitere Warnstreiks sind möglich, wenn auch davon auszugehen ist, dass die DB AG bei übermäßiger Länge diese erneut gerichtlich zu verhindern versucht. Anders sähe das aus, wenn die EVG die Tarifverhandlungen für gescheitert erklärt und es eine Urabstimmung unter den in der EVG organisierten Mitarbeitern des DB-Konzerns gibt. Wenn bei dieser Urabstimmung mindestens 75 Prozent der stimmberechtigten Personen für einen Streik stimmt, sind mehrtägige oder mehrwöchige Arbeitsniederlegungen sehr wohl wieder denkbar.
Die EVG gibt an, zumindest weitere Warnstreiks parallel vorzubereiten. Dann etwa könnte durch Streikaufrufe in den Stellwerken der DB Netz AG auch Eisenbahnunternehmen betroffen sein, die nicht zum DB-Konzern gehören Für diesen Fall hat der Bundesverband Schienennahverkehr (BSN) als Dachorganisation der Aufgabenträger Notfallregelungen gefordert, die den Eisenbahnverkehr zumindest in Teilen aufrecht erhalten.
Verbandspräsident Thomas Prechtl: „Der Streik hat nicht nur Auswirkungen auf die in den Tarifverhandlungen befindliche DB Netz, sondern auch massive Auswirkungen auf unbeteiligte Verkehrsunternehmen und deren Fahrgäste. Wir fordern dringend ein verbindliches Konzept zum Notbetrieb auf der für die Daseinsvorsorge unabdingbaren und kritischen Schieneninfrastruktur.“
Sollte trotz aller Anstrengungen kein Konzept für den Notbetrieb der Betriebszentralen, Stellwerke und andere Anlagen möglich sein, müsste laut den Nutzungsbedingungen der DB Netz AG, diese die Kosten für einzurichtende Busnotverkehre übernehmen. Die Verantwortung für die Nichtverfügbarkeit der Infrastruktur sei der DB Netz AG zuzurechnen. So könnten einige Verbindungen aufrechterhalten und auf diesen Relationen ein Verkehrsangebot gemacht werden.
Siehe auch: Richtig und wichtig!