Die falsche Wahrnehmung
27.11.14 (Baden-Württemberg, Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld
In Baden-Württemberg steht dem SPNV in den kommenden Jahren ein großer Qualitätssprung bevor. Im Rahmen der Neuvergabe der Leistungen werden die stark veralteten Silberlinge endlich ins Museum gebracht und ersetzt durch angemessenes Rollmaterial, das die Anforderungen des modernen SPNV erfüllt. Dass die Preise sinken werden steht außer Frage, aber die Wahrnehmung ist manchmal etwas gestört. Zum Beispiel werden in der öffentlichen Debatte in Baden-Württemberg oft Brutto- und Nettoverträge durcheinandergeworfen. Die tatsächlichen Preise sinken weit stärker als es scheint, weil die Fahrgelderträge jetzt bald nicht mehr an den Betreiber gehen, sondern an den Aufgabenträger, wodurch er eben nur noch einen Bruttopreis zahlt, der in der tatsächlichen Kostenlast um den Betrag sinkt, der an Markteinnahmen reinkommt.
Im Gegensatz zum Nettovertrag, wo ein Nettozuschuss gezahlt wird, weil die Markteinnahmen bereits beim Betreiber verbleiben. Dass man solche Selbstverständlichkeiten noch immer erklären muss zeigt, auf was für einem Niveau solche Debatten oft stattfinden. Aber an dieser Stelle sei noch ein weiterer Punkt ins Spiel gebracht, der in der Debatte gar nicht auftaucht: DB Regio erhält aktuell hohe Bestel-lerentgelte, musste aber größtenteils keinerlei Investitionen vornehmen. Die Silberlinge, mit denen dort erhebliche Teile der Regelleistungen gefahren werden, hat die Deutsche Bahn bei ihrer Gründung als Geschenk bekommen. Das von der alten Bundesbahn angeschaffte Rollmaterial wurde der DB AG überlassen, die Finanzierung trug das Bundeseisenbahnvermögen.
Im neuen Vertrag wird aber investiert werden müssen. Dabei spielt es auch keine Rolle, ob der Aufgabenträger die Züge anschafft oder der Betreiber, denn die Finanzierungslast muss in jedem Fall getragen werden. Im Grunde müssten die Preise daher steigen, das tun sie aber nicht und vor diesem Hintergrund kann man nur erahnen, wie viel Geld DB Regio im Ländle verdient haben muss. Nun wird viel darüber diskutiert, ob das denn statthaft ist, dass der Aufgabenträger dem Betreiber die Züge finanziert. Dieser Argumentationsansatz ist aber falsch und funktioniert in marktwirtschaftlichen Strukturen nicht.
Tatsächlich ist der Aufgabenträger derjenige, der Züge braucht, damit sie gefahren werden. Ganz gleich, ob der Betreiber sie anschafft, eine Leasinggesellschaft (in wessen Auftrag auch immer) oder der Aufgabenträger selbst: Letzter will Züge haben und verlangt, dass sie ihm jemand vor die Tür stellt. Doch dann muss er auch entsprechende Absicherungen geben. Wenn er das tut, das Beispiel VRR zeigt das seit Jahren, dann löst sich der vielfach kolportierte vermeintliche „Erstellermangel“ schnell in Wohlgefallen auf. Deswegen ist der Weg richtig und wer immer noch glaubt, dass die Investoren die Bittsteller seien, die vom Aufgabenträger irgendwelche Garantien verlangen, der hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt. Jeder Investor (auch die gar nicht so gemeinnützige Deutsche Bahn) wird solche Investitionsrisiken im Zweifel auf Kosten der Aufgabenträger vom ersten Tag an mit einpreisen, gezahlt wird also so oder so.