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Risiken und Chancen gemeinsam abwägen

23.01.23 (Kommentar) Autor:Stefan Hennigfeld

Zuerst zeigt das relativ kurzfristige Ausscheiden von Abellio Rail NRW aus dem Markt eins: Man braucht kein wie auch immer geartetes „Recht zur Direktvergabe“, das man mit Notfallsituationen begründet, welches in der Praxis aber die Grundlage für langfristige Deals zwischen Aufgabenträgern und DB Regio zulasten anderer Betreiber und zulasten der Wirtschaftlichkeit ist.

Man hat es im Rahmen des geltenden Rechts geschafft, Übergangslösungen auf die Beine zu stellen und chaotische Zustände zu vermeiden. Dennoch ist der Wegfall des langjährigen Qualitätsführers zwischen Rhein und Weser natürlich ein Problem für den SPNV, denn nur ein hohes Bietervolumen hält die Qualität oben und die Preise unten. Da der Abellio-Konzern aber mit der Westfalenbahn noch immer in Nordrhein-Westfalen aktiv ist, besteht ja durchaus die Chance, dass hier eines Tages eine Rückkehr auch ins Ruhrgebiet und das Rheinland möglich ist.

Kurzfristig aber muss man jetzt sehen, dass man möglichst viele Bieter im Markt. Nordrhein-Westfalen hat anders als z.B. Hessen oder Baden-Württemberg nicht die Möglichkeit, ein landeseigenes Unternehmen wie eine eigene Staatseisenbahn zu nutzen und ist es deshalb darauf angewiesen, dass es bei jeder einzelnen Ausschreibung möglichst viele Bieter gibt. Hierzu gehört auch, dass man Risiken, die im Laufe einer Vertragsperiode eintreten können vernünftig zwischen Auftraggebern und Auftragnehmern aufteilt.

Wir wissen nicht, wie sich die Bahnstrompreise in den nächsten zehn Jahren entwickeln werden. Es kann durchaus sein, dass sich diese verdoppeln oder verdreifachen. Das führt dazu, dass manch ein potentieller Interessent wegen dieser unkalkulierbaren Kostenrisiken von einer Ausschreibungsteilnahme absieht oder aber dass der Aufgabenträger von Anfang an viel bezahlen muss. Bei einer Lastenverteilung könnten Verkehrsverträge auch während der Vertragslaufzeit billiger werden, etwa weil sich die Preise für den Bahnstrom wieder normalisieren.

Zudem sind aktuell auch Akkutriebzüge in der Pipeline, bundesweit werden Fahrzeuge mit Wasserstofftraktion getestet: Wenn man bei einem Akkutriebzug zumindest einkalkulieren muss, dass so ein Akku im Zug nach einigen Jahren zum Austausch ansteht, macht das den Preis von Anfang an sehr teuer. Wenn aber so ein Akku vielleicht doch dreißig Jahre hält, hieße das, dass die Kosten auch für den Aufgabenträger geringer ausfielen. Hier ist aber auch die Politik gefordert, eine dauerhaft auskömmliche Finanzausstattung der Eisenbahn sicherzustellen.

Das ist eine gesamtstaatliche Aufgaben und solange die Eisenbahn selbst jetzt, wo wir alle über Verkehrswende sprechen, scheinbar nur Verhandlungsmasse zwischen Regierung und Opposition, zwischen Bund und Ländern ist, wird das schwierig werden. Gerade aber deshalb ist eine wirtschaftliche Mittelverwendung so wichtig. Die allerdings muss dafür sorgen, dass die Verkehrsunternehmen lebensfähig bleiben. Niemand kann, zumindest langfristig, von ruinösem Wettbewerb profitieren. Das muss das gemeinsame Ziel sein.

Siehe auch: VRR: S-Bahn- und RRX-Vergabe entschieden
Foto: Deutsche Bahn AG / Georg Wagner

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