Eisenbahnjournal Zughalt.de

Nachrichten über Eisenbahn und öffentlichen Verkehr

EVG kündigt hohe Tarifforderungen an

19.01.23 (Verkehrspolitik) Autor:Stefan Hennigfeld

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) hat angekündigt, in diesem Jahr branchenweit hohe Tarifforderungen zu stellen. Das liegt zum einen an der hohen Inflation, zum anderen aber auch am teilweise erheblichen Personalmangel in der Eisenbahnbranche sowie der Fluktuation, die weit über die normale Verrentungsquote hinausgeht. Damit ist die EVG der erste Branchenakteur überhaupt, der dieses Thema auf den Tisch bringt. Cosima Ingenschay und Kristian Loroch, Tarifvorstände der EVG, warnen vor einem baldigen Kollaps bei Bus und Bahn.

„Wenn es den Eisenbahnunternehmen in den nächsten Monaten nicht gelingt, ausreichend Personal nachzusteuern, ist Stillstand vorprogrammiert“, machten sie deutlich. Schon jetzt würden immer öfter Züge ausfallen, weil nicht mehr ausreichend Personal vorhanden sei. „Entweder sind Stellen, auch wegen schlechter Bezahlung, unbesetzt oder die Kolleginnen und Kollegen sind krank; insbesondere, weil die Belastungen im Beruf mittlerweile überhand nehmen“, so Cosima Ingenschay.

Diese Situation werde sich in den nächsten Wochen und Monaten weiter verschärfen. Um das zu ändern, müssten die Rahmenbedingungen ganz schnell verbessert werden. „Ab Februar 2023 führen wir als EVG mit rund fünfzig Unternehmen im Bereich von Bus und Bahn Tarifverhandlungen. Unser Ziel wird sein, die Löhne deutlich anzuheben und das branchenweit einheitlich, indem wir für alle Unternehmen die gleiche Forderung aufstellen“, machte Cosima Ingenschay deutlich.

Mit einer attraktiven Bezahlung steige auch die Chance, offene Stellen wieder besetzen zu können. Davon würden am Ende auch die Fahrgäste profitieren. „Alle Personaloffensiven werden zum Scheitern verurteilt sein, wenn die Unternehmen nicht endlich angemessene Löhne zahlen“, ergänzte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch. Am Beispiel der Deutschen Bahn machte er deutlich: „Es reicht nicht aus, zu erklären, in diesem Jahr 25.000 neue Mitarbeitende einstellen zu wollen. Die müssen erst einmal gefunden werden und dann vor allem aber bleiben. Dazu sind die derzeitigen Rahmenbedingungen nicht geeignet“.

„Die Fluktuation ist groß und wird immer größer“, kritisiert Kristian Loroch. Waren es 2021 noch rund sechs Prozent der Mitarbeiter, die das Unternehmen DB AG verlassen haben (Stand November 2022), lag die Zahl der Abgänge im vergangenen Jahr schon bei über 7,3 Prozent – nur 1,9 Prozent davon waren altersbedingt.

„Es gibt Bereiche, beispielsweise bei der Sicherheit, da springen achtzig bis neunzig Prozent der Bewerber wieder ab, wenn sie sehen, was die Bahn bereit ist, für diese wichtige Aufgabe zu zahlen. Da schrillen bei uns die Alarmglocken“, so Kristian Loroch. Angesichts der vielen offenen Stellen nehme die Belastung für die verbleibenden Mitarbeitenden zu. Die Zahl der Überstunden steige kontinuierlich; die Zahl derer, die krank werden auch.

„Lag der Krankenstand 2021 noch bei gut 5,5 Prozent, wurde 2022 ein deutlicher Anstieg auf 7,1 Prozent verzeichnet. In einigen Bereichen, etwa beim Service im Zug, beim Service im Bahnhof, aber auch im Busbereich, liegt die Quote mittlerweile bei zehn Prozent oder darüber“. erklärte Kristian Loroch.

Der hohe Krankenstand habe letztlich dazu geführt, dass auch die Zahl der Überstunden kräftig angestiegen sei: von 6.7 Millionen Stunden in 2021 auf 7,1 Millionen Stunden in 2022. Zusätzlich seien über 1,5 Millionen Stunden ausbezahlt worden. Hinzu kämen knapp 18 Millionen Überstunden, die auf so genannten Langzeitkonten angespart worden seien. Das entspreche der Arbeitsleistung von rund 8.700 Vollbeschäftigten. „Diese Zahlen machen deutlich, dass unsere Kolleginnen und Kollegen an ihrer Belastungsgrenze angekommen sind. Viele sind schon weit darüber hinaus gegangen. Das gilt für alle Unternehmen im Bus- und Eisenbahnbereich und wird nicht mehr lange gut gegen“, stellte EVG-Tarifvorstand Kristian Loroch fest.

Um auf dem ohnehin schon leergefegten Arbeitsmarkt noch genügend neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, müsse deutlich mehr gezahlt werden als bisher. Schon heute würden Neuangestellte häufig über Tarif bezahlt, um freie Stellen überhaupt besetzen zu können. „Das zeigt, dass die Löhne deutlich rauf müssen; nicht nur bei der Deutschen Bahn, sondern bei allen Eisenverkehrsunternehmen, wie auch im Busbereich. Sonst werben sich die Unternehmen untereinander die Mitarbeiter ab und die Reisenden bleiben auf der Strecke“, so EVG-Tarifvorstand Cosima Ingenschay.

Siehe auch: Das Tarifjahr 2023 ist eingeläutet

Kommentare sind geschlossen.